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Die Schlussakte des Wiener Kongresses, auf dem der Deutsche Bund gegründet wurde.

© dpa

200 Jahre Deutscher Bund: Ein vergessener Jahrestag

Vor 200 Jahren wurde auf dem Wiener Kongress der Deutsche Bund gegründet. Er hat es nie leicht gehabt im Geschichtsbild der Deutschen. Eine kleine Erinnerung.

Es waren aufregende Tage im Juni vor 200 Jahren. Napoleon, kaum dem Exil auf Elba entkommen, ließ wieder Truppen marschieren. Am 18. Juni kam es zur Schlacht bei Waterloo. Gut eine Woche zuvor war in Wien der Kongress beendet worden, der die neue Ordnung in Deutschland und Europa für die Zeit nach Napoleon finden und sichern sollte. Der Wiener Kongress ging etwas in Eile auseinander wegen Napoleons Rückkehr, weshalb der Deutsche Bund eine Art Sturzgeburt war. Die Bundesgründung am 8. Juni, mit der Unterzeichnung der Bundesakte in Wien, ist eine Wegmarke der deutschen Verfassungsgeschichte. Groß wahrgenommen wird der Jahrestag nicht. Der Deutsche Bund hatte es ohnehin immer schwer, im Geschichtsbild der Deutschen einen angemessenen Platz zu finden.

 Von Metternich gelenkt

Das hängt natürlich vor allem daran, dass er, lange organisiert von dem Erzkonservativen Fürst  Metternich in Wien, unter tätiger Beihilfe der meist ebenfalls reaktionären Herrschenden in Berlin, zum Instrument einer Politik gegen alles wurde, was nach Fortschritt klang. Dass die stramm Deutschnationalen verfolgt wurden (die Urburschenschaft gründete sich ebenfalls im Juni 1815), kann man heute vielleicht gelassener sehen, seit der Turnvater Jahn oder der Franzosenhasser Arndt nicht mehr ganz so weit oben sitzen im Olymp der Nationalheiligen. Dass der politische Liberalismus gebremst, dass die Entwicklung hin zu Verfassungsmonarchie und Parlamentsherrschaft behindert wurde, wiegt da schon schwerer, wenn man an der Ansicht festhält, dass Deutschland damals in einen folgenreichen Rückstand geriet zur westlichen Verfassungsentwicklung („langer Weg nach Westen“, lautet die Merkformel).

 Oh Bund, du Hund...

Aber war das wirklich so? War der Deutsche Bund wirklich dieser Hort von politischer Rückständigkeit? War der Bund, der Hund, wirklich gar nicht gesund (wie Heinrich Heine schrieb)? Im habsburgischen Teil und im preußischen  zweifellos, also in den beiden Hegemonialmächten des Bundes. In einigen Kleinstaaten auch, oder im notorisch reaktionären Hessen-Kassel, das sich anachronistisch als Kürfürstentum bezeichnete. Selbst Hannover, dynastisch noch mit dem deutlich liberaleren britischen Königreich verbandelt, war ein schwieriger Fall, der verfolgte Helden gebar (am berühmtesten die Göttinger Sieben). Aber überall ging es eben nicht ganz so krass zu. Württemberg, Bayern, Hessen-Darmstadt, Sachsen-Weimar, Baden waren auf dem Weg nach Westen immerhin einiges weiter. Also ein nicht unwesentlicher Teil dessen, was man das Dritte Deutschland nennt. Die Hälfte ungefähr der heutigen Bundesrepublik, die einiges mit diesem Deutschland der Mittelstaaten verbindet. Schon von daher hat der Deutsche Bund vielleicht einen etwas freundlicheren Blick verdient (den die Historiker ihm übrigens in den letzten Jahren durchaus gönnen, auch wenn das in der breiteren Öffentlichkeit, deren Geschichtsunterricht ja zumeist einige Jährchen zurückliegt, erst noch ankommen muss).

 Grillparzers Vierzeiler

Dass der Bund völlig reformunfähig gewesen sei, gehört mittlerweile zu den Historikermärchen vergangener Zeiten. Sein Ende kam mit Otto von Bismarck (ebenfalls Jahrgang 1815), der gegen den Bund arbeitete, wo und wie er nur konnte. Er wollte Österreich treffen, damit Preußen emporkomme. 1866 war Schluss, nach 51 Jahren. Der Deutsche Bund ist so auch ein gutes Studienobjekt für das Funktionieren und Versagen von Bundesorganisationen. Franz Grillparzer schrieb nach dem Ende einen Vierzeiler:

„Der deutsche Bund war nicht schlecht von Haus,

Gab auch Schutz in jeder Fährlichkeit,

Nur setzt' er etwas Altmodisches voraus: Die Treue und die Ehrlichkeit.“

Das klang damals schon altväterlich-konservativ. Aber es steckt ein Körnchen Wahrheit darin. Dass nämlich die Bundesglieder mindestens so sehr ans Gemeinsame denken sollten wie an den Eigennutz. Sonst klappt’s nicht. Eine Lehre auch für die EU, für Brüssel, Berlin, London, Paris, Rom oder Athen.

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