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Der frühere Bundestagspräsident und Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble.

© AFP/Jan Woitas

50 Jahre Abgeordneter: Im Bundestag ist Wolfgang Schäuble einzig

Er bekleidete höchste Ämter der Republik. An diesem Dienstag feiert er sein Jubiläum. Fünf Prinzipien, an denen sich die Union auch in Zukunft orientieren kann.

1972 war das Jahr, in dem das beste DFB-Team je Europameister wurde. Und es war das das Jahr, in dem Wolfgang Schäuble ins Parlament einzog. Jetzt ist er auch eine Art Europameister. Warum das zusammenpasst?

Weil der Christdemokrat Fußball liebt, besonders den FC Bayern; weil er auch so gerne im Sportausschuss war; und weil es gewisser Weise doch stimmt: Im Bundestag ist er einzig, und wer sich in Europa umschaut, wird keinen wie ihn entdecken.

Was er alles war! In seiner Fraktion, der von CDU und CSU, so gut wie alles, vom einfachen, aber stets direkt gewählten Abgeordneten über den Parlamentarischen Geschäftsführer bis hin zum Fraktionsvorsitzenden, viele Jahre.

Als der war Schäuble von manchen wegen seiner Schärfe gefürchtet; eine Schärfe, die er als dem Amt geschuldet sah: Jede Sitzungswoche hunderte Abgeordnete, die sich alle wichtig fühlten - und er musste doch Helmut Kohl, dem ewigen Kanzler, die Mehrheit organisieren. Da konnten nicht alle reden, nicht alle mitreden. Da musste einer das Sagen haben.

Dann war er eine Legislaturperiode Bundestagspräsident. Ein Amt, das er gerne behalten hätte. Aber dafür hätte die CDU mit der CSU die jüngste Wahl gewinnen müssen. Schäuble hat alles dafür getan; manche sagen: zuviel. Er half, Armin Laschet zum Kanzkerkandidaten zu machen. Der sitzt heute in der Hinterbank.

Und in der Regierung? Kanzleramtsminister war er, zweimal Innenminister, beides unter Kohl, Finanzminister unter Angela Merkel, die fast so lange regierte wie Kohl, 16 Jahre. Kohl und sie konnten das nur, weil es zur großen innerdeutschen Wendezeit ihn gab, Wolfgang Schäuble, ihn als den „Architekten der Einheit“.

Er war so viel - nur Kanzler nie. Er war der „Binnenkanzler“ unter Kohl, der Schatzkanzler unter Merkel, war der Kopf, der Stratege hinter vielen großen Entscheidungen, war ewiger unausgesprochener Kandidat, doch kein einziges Mal offiziell. Er war ein Kanzler im Konjunktiv: Der beste, den die Union nie hatte.

Warum? Das hat viele, vielleicht genau fünf Gründe.

Demut: Er hat Demut. Vor der Aufgabe, vor den Ämtern zuvörderst. Er nahm sich in allen nicht immer so wichtig, einem christlichen Satz folgend. Oder genauer: Nahm sein Amt wichtig. Gewann auf diese Weise Autorität - als Instanz. Wobei: Heilig war er in der Amtsführung nicht. Streiten kann er, und hochfahrend sein auch. Weil er vieles besser weiß. Und es dann auch sagt.


Verbittert war er nach dem Attentat nicht

Hinzu kommt das Attentat, damals, im Amt den Bundesinnenministers die lebensgefährliche Verletzung. Das Glück, das Leben noch zu haben - das macht demütig. Zeigt die Begrenzungen auf. Aber Demut heißt ja nicht: ohne Mut.

Verbittert war er nach dem Attentat nicht, ein Vorwurf, dem ihm manche damals in der Fraktion wegen seiner Schärfe machten. Er war: illusionslos. Schäuble selbst stellte öffentlich die Frage: Kann ein Krüppel Kanzler werden? Die unausgesprochene Antwort damals: nein.

Loyalität: Er hat viel davon. Möchte ja auch Muster darin sein. Er war loyal bei Kohl, bei Merkel. Hat es beiden auch so gesagt - aber nicht ohne Hinweis auf seinen eigenen Kopf, den sie ertragen müssten.

Loyal in der Sache ist das eine. gegenüber Personen das andere: Bei Kohl haben sich nicht wenige die Frage gestellt, wie er das sein konnte, so lange, zu lange, viel zu lange. Vielleicht wegen Kohls geschichtlichem Rang als „Kanzler der Einheit“? Tatsache bleibt: Die Spendenaffäre hat beide sehr, sehr viel gekostet.

Vertrauen auf die Kraft von Argumenten und Gegenargumenten: Reden kann er, denken auch. Wäre es nicht so, hätte seine Rede im Bundestag Berlin - eine mit den besten Argumenten - nicht zur Hauptstadt des vereinten Deutschlands gemacht.

Und wahr ist: Schäuble kann auch Argumente akzeptieren, die nicht die seinen sind. Merkel hatte so eine Begabung bei ihm.


Das letzte Wort hatten andere

Ertragen und Wagen: Innerdeutsche Krisen, Finanzkrisen - wenn da einer, eine sagt, Schäuble würde nichts wagen, der kennt die Geschichte nicht. Politik, würde er sagen, ist immer ein Wagnis.

Letzten Endes. Aber er muss ertragen, musstes immer, dass da jemand über ihm war. Der Souverän, der Wähler, der sowieso. Aber auch in der Regierung. Das letzte Wort hatten andere.

Von dem, was er im Rollstuhl alles zu ertragen hatte und hat, nicht weiter zu reden. Und von Krankheiten zu schweigen.

Grundsatze haben, Grundsätze anpassen: Dass Wolfgang Schäuble Grundsätze hat - das ist Voraussetzung für diese Karriere. Ohne sie wäre er schon längst nicht mehr im Parlament. Der Wähler, das verehrte Publikum, ist nicht so dumm.

Er ist nicht ohne Grund in einer Partei, die sich christlich nennt. Da schreibt er schon mal Grundlegendes zum Glauben, nicht nur in Reden zur Politik. Aber: Anpassung tut not. An Zeitläufte, an Mehrheiten, an die Realität. Hart stößt sich mancher Grundsatz daran, und manchmal zu hart. Politik ist nicht nur Nächstenliebe. Da frag man nur Wolfgang Schäuble.

So, nun ist er so lange vom Souverän, von uns, abgeordnet in den Bundestag. Schaden abwenden, sein Wohlergehen mehren - was fürs deutsche Volk gilt, gilt auch für seine Vertreter.

Besonders diese, einen Besonderen. Und vielleicht wird ein DFB-Team wieder Europameister, wenn Wolfgang Schäuble noch im Parlament ist.

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