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Politik: 60 Dörfer sollen in den Fluten versinken und 20 000 Einwohner umgesiedelt werden

Schon seine Urgroßeltern haben im heiligen Wasser des Narmada gebadet und sich in dem Fluss nach Hindu-Tradition von ihren Sünden gereinigt. Nun soll Pairvi Bhulap und seine Familie aus dem westindischen Dorf Jalsindhi wegziehen.

Schon seine Urgroßeltern haben im heiligen Wasser des Narmada gebadet und sich in dem Fluss nach Hindu-Tradition von ihren Sünden gereinigt. Nun soll Pairvi Bhulap und seine Familie aus dem westindischen Dorf Jalsindhi wegziehen. Der Grund: das Sardar-Sarovar-Bewässerungsprojekt der Regierung, die einen bislang auf 88 Meter aufgetürmten Staudamm weiter vergrößern will. Der Wasserpegel wird steigen; 60 Dörfer im Oberlauf werden überschwemmt. Gegen das Projekt haben viele der 20 000 Einwohner erbitterten Widerstand angekündigt. Seit dem Wochenende wird protestiert.

Nach der Mythologie ist die rund 1300 Kilometer lange Narmada entstanden, als eine Schweißperle des Hindu-Gottes Shiva auf die Erde tropfte und den Menschen eine Lebensgrundlage gab. Heute ist das Wasser des Stroms nur noch schlammig. Mit dem Bau des Wasserkraftwerkes und des Damms, der 110 Meter hoch werden soll, wurde vor etwa zehn Jahren begonnen. Bisher wurden etwa 1,74 Milliarden Dollar für das Projekt ausgegeben. Im Februar wurde eine Dammhöhe von 88 Meter erreicht. Seitdem ist der Wasserpegel der Narmada um drei Meter gestiegen. Auch an Jalsindhi ist der Fluss herangerückt.

"Ich werde bleiben, auch wenn mein Land untergeht. Wo soll ich denn hin?" Wie viele andere Dorfbewohner will Bhulap lieber ertrinken als umsiedeln. Seine Familie wohnt 55 Kilometer vom Damm entfernt. Der ist seit Jahren ein Stein des Anstoßes: Bereits 1991 nahm die Polizei Hunderte von protestierenden Gegnern fest, nachdem 162 Dörfer während des Monsuns vom Fluss überflutet worden waren. Nun schauen die Sicherheitskräfte nach Jalsindhi, wo die preisgekrönte Schriftstellerin Arundhati Roy die jüngsten Proteste leitet. "Wenn wir ein einziges Menschenleben verlieren, liegt ein Fluch auf dem Damm", sagte Roy in einem Interview. Und fügte hinzu: "Es ist, als ob sie (die Behörden) die Menschen hier zum Selbstmord treiben. Das wird ein langer Krieg."

Mit dem Bewässerungsprojekt in dem Trockengebiet verfolgen die Regierung und drei Unionsstaaten ehrgeizige Ziele: Trinkwasser und Strom für 40 Millionen Menschen. Dammgegner haben gegen das Vorhaben bereits geklagt; der Prozess ist aber noch nicht abgeschlossen. Bis ein Urteil gefällt ist, wurden die Bauarbeiten ausgesetzt. Autorin Roy forderte von der Regierung, über alternative Wasser- und Energieversorgungsprojekte nachzudenken.

Bis 1993 war die Weltbank an dem Bau beteiligt. Sie stellte der Regierung in Neu-Delhi und den Regionalverwaltungen der beteiligten Staaten Finanzhilfen und Darlehen in Höhe von 450 Millionen Dollar (rund 850 Millionen Mark) zur Verfügung. Sie zog sich aus dem Projekt zurück, nachdem ein unabhängiges Gutachten dieses als "ökologisch bedenklich" bezeichnet hatte. Viele Bauern, deren Dörfer nun unter dem Wasserspiegel des Stausees liegen und die in Slums indischer Großstädte zogen, beklagen, keine ausreichende Entschädigung für den Verlust ihres Landes erhalten zu haben.

Ramola Talwar Badam

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