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90. Geburtstag: Richard von Weizsäcker: Symbol der Stetigkeit

Helmut Schmidt sprach als Laudator zum 90. Geburtstag von Richard von Weizsäcker im Berliner Konzerthaus. Vaclav Havel und Henry Kissinger diskutierten.

Am Ende möchte Vaclav Havel auch gerne Helmut Schmidt als Laudator zu seinem 90. Geburtstag haben, „wenn ich jemals so alt werde, was ich bezweifele“. Aber an diesem Abend ist der Altkanzler als Laudator für den 90-jährigen Richard von Weizsäcker ins Konzerthaus gekommen, und der frühere tschechische Präsident gehört zu den politischen Ikonen, die zu Ehren dieses Geburtstags über Krieg und Frieden nachdenken.

Rund 400 Gäste, darunter die Botschafter Englands, Frankreichs, Polens und Russlands, hatte die Hamburger Körber- Stiftung am Sonntagabend ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt geladen, um Weizsäcker als Vorsitzenden ihres Bergedorfer Gesprächskreises zu ehren, in dem hochrangige internationale Politiker vertraulich Grundfragen der Außen- und Sicherheitspolitik diskutieren.

Bevor auch im Konzerthaus diskutiert wurde, vermittelte Helmut Schmidt eine Ahnung davon, wie die Welt sein könnte, wenn es keine Parteien gäbe, dankte für „hundert Einsprüche und Zustimmungen und Anregungen: Ob vor vierzig Jahren als politische Gegner oder heute als Freunde: Wir haben kooperiert. Willkommen im Club der 90jährigen.“

Weizsäcker sei es wesentlich zu verdanken gewesen, dass viele Abgeordnete der CDU durch Stimmenthaltung die Ratifikation der Ostverträge überhaupt erst ermöglicht hätten, sagte Schmidt. In den 50er Jahren habe kaum jemand damit gerechnet, dass später mehrere SPD-geführte Regierungen die Bindung an das westliche Bündnis und die europäische Integration fortsetzen würden. Und kaum jemand habe erwartet, dass nach 1982 CDU-geführte Regierungen sich die von den Sozialdemokraten unterschriebene Anerkennung der Westgrenze Polens und den Verzicht auf atomare Waffen zueigen machen würden. Die zuverlässige Berechenbarkeit Deutschlands sei zu einem unverzichtbaren Faktor des anhaltenden Friedens in Europa geworden, und Weizsäcker habe an der Herstellung dieser Stetigkeit sehr bewusst mitgewirkt: „Sein politischer Lebensweg macht ihn zu einem Symbol der Stetigkeit.“ Lange nach dem Ende seines Amtes an der Spitze des Staates sei seine Autorität noch gewachsen.

Daniel Barenboim verzichtete auf eine eigentlich geplante Ansprache, dirigierte Mitglieder der Staatskapelle, die Wagners Siegfried-Idyll spielten. Moderiert von dem britischen Historiker Timothy Garton Ash gab es anschließend ein Gespräch der Elder Statesmen zum Thema „Krieg und Frieden – Lehren aus dem 20. Jahrhundert“. Das Podium wirkte wie ein Rat der Weisen. Neben dem früheren polnischen Botschafter Janusz Reiter saßen Friedensnobelpreisträger und Ex-US-Außenminister Henry Kissinger, der ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Havel und Richard von Weizsäcker selber in schwarzen Sesseln auf der Bühne und taten, was sie zum Wohle Europas schon oft getan haben: miteinander zu reden statt übereinander, klar, präzise, passioniert.

Ash will Lehren ziehen, aus den Weltkriegen, dem Kalten Krieg und den Erfahrungen mit dem Europa der Jetztzeit. Kissinger hebt Weizsäckers „Eintreten für die Versöhnung mit Gegnern“ als besondere Leistung hervor. Er sei für ihn ein „Symbol für Ehrlichkeit und Hingabe an grundlegende Werte“.

Janusz Reiter sagte, dass Weizsäcker ihm und vielen Polen geholfen habe, Vertrauen zu schöpfen, und dass es letztlich dieses Vertrauen gewesen sei, das 1989 politische Handlungsfähigkeit ermöglicht habe. Auch in Bezug auf das künftige Europa sei Vertrauen wichtig, die Gewissheit, dass es keine Gewinner und keine Verlierer gebe.„Mit den Polen sich näher zu kommen war unsere schwierigste und wichtigste Aufgabe“, sagt der Jubilar. Und später in einem Moment, der seltsam aktuell anmutet: „Ich wusste nicht, was Krieg ist. Aber ich habe es schon am zweiten Tag erfahren, als mein Bruder gefallen ist.“

Auch die große Rede vom 8. Mai 1985 kommt bei Schmidt wie in der Diskussionsrunde immer wieder vor.

Welche Lehren gibt es im Hinblick auf den Iran, will Timothy Garton Ash wissen. Vaclav Havel sagt, dass es wichtig sei, die demokratische Gesellschaft dort zu stützen, wo Diktatur herrscht. „Es schadet ihnen nicht, es nützt ihnen. Wir müssen die Studenten unterstützen.“

Ash ist ein stringenter Moderator. Henry Kissinger kann trotzdem noch mahnen, dass Europa immer weniger relevant sein werde, wenn es sich nicht immer stärker vereine.

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