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Politik: "Ab und zu bedauere ich meinen Rückzug" - Vor einem Jahr trat der ehemalige SPD-Vorsitzende ab - wann kommt er wieder?

Der 11. März 1999 war ein Tag der Emotionen: SPD-Mitglieder weinten, Aktienhändler ließen die Sektkorken knallen.

Der 11. März 1999 war ein Tag der Emotionen: SPD-Mitglieder weinten, Aktienhändler ließen die Sektkorken knallen. Oskar Lafontaine war nach fünf Monaten im Amt überraschend als Finanzminister und SPD-Vorsitzender zurückgetreten. Ein Jahr später ist die Aufregung verklungen. Lafontaine tourt mit Vorträgen durchs Land und macht Werbung für Joghurt. Die SPD und ihr neuer Chef Gerhard Schröder haben sich miteinander arrangiert. Aus der Wirtschaft kommt Lob für den neuen Finanzminister Hans Eichel (SPD) und seinen Politikstil. Angesichts dessen fängt Lafontaine an, seinen Schritt zu bereuen. "Ab und zu bedauere ich meinen Rückzug", ließ er am Freitagabend verlauten.

Reform von Unternehmens- und Einkommensteuer, Sparpaket: Die Themen, mit denen sein Nachfolger Eichel punkten konnte, waren bereits von Lafontaine auf den Weg gebracht worden. Er schrieb am SPD-Wahlprogramm mit, das der Finanzpolitik der Regierung zu Grunde liegt und er setzte die Kommission zur Reform der Unternehmensteuer ein. "Die Ergebnisse hätte Lafontaine genauso umgesetzt wie Eichel", heißt es bei Finanzexperten der Koalition. Beim 30-Milliarden-Sparpaket hätte der SPD-Chef aber mehr Zugeständnisse machen müssen.

Bundeskanzler Schröder und die Regierung gewann durch den Rücktritt neuen Handlungsspielraum. "Es war das Signal für eine Neuausrichtung", sagt Thomas Hueck von der Münchner Hypovereinsbank. Der Inhalt der Politik liegt nicht an der Person, wohl aber deren Vermittlung. "Es war eine psychologische Wende", sagt Adolf Rosenstock von der Vermögensverwaltung Nomura. Er meint, Lafontaine sei ein rotes Tuch für die Wirtschaft gewesen. "Lafontaine wurde immer ein negativer Ansatz unterstellt", heißt es dagegen in der Regierung. Zu seinem Image als Buhmann der Wirtschaft hat der Saarländer freilich selbst eifrig beigetragen. Autoritär und besserwisserisch trat er häufig auf, verbreitete bei jeder Gelegenheit seine Theorien über Währungszielzonen und die Zukunft des Euro. Die Europäische Zentralbank wertete dies als Einmischung in ihre Kompetenz, die Partnerländer in Europa und die USA waren indigniert. Lafontaine habe "Kommunikation mit der Brechstange" betrieben, sagt Jörg Krämer von Invesco Asset Management. Eichel plädiert für einen starken Euro, Wechselkurse überlässt er der EZB. Generell hält er sich zurück. "Sein Auftreten macht es einfacher, die Politik durchzusetzen", sagt ein Finanzexperte der Koalition. Der neue Stil zeigt sich auch an Vorgängen wie der Fusion von Dresdner und Deutscher Bank. Lafontaine, der immer wieder gegen "Kasinokapitalismus" wetterte, hätte die positive Beurteilung durch Schröder wohl nicht unwidersprochen gelassen. Eichel dagegen schweigt.

In der SPD, die Lafontaine mit dem langem Schweigen über seine Rücktrittsgründe verärgerte, hat sich die Aufregung gelegt. Schröder hat die Genossen überzeugt, dass er nicht nur für Innovation, sondern auch für Gerechtigkeit stehen will. Über eine Rückkehr Lafontaines in die Politik wird seit dem Abgang spekuliert. Am Freitag kündigte er im Saarländischen Rundfunk an, er wolle beim Parteitag der Saar-SPD Anfang April sprechen: "Ich glaube, dass es notwendig ist, dass ich zu bestimmten Dingen meine Auffassung sage und dass ich mit den Delegierten ins Gespräch komme." Auch mit Schröder wolle er kommunizieren. Aber: "Der Kanzler hat auch viel zu tun." Eine Rückkehr in die Bundespolitik schloss Lafontaine nicht aus, allerdings nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Einige werden es erleichtert zur Kenntnis nehmen.

Daniela Vates

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