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Abfangsystem: USA legen Pläne für Raketenschild auf Eis

Barack Obama zieht eines der umstrittensten Projekte seines Vorgängers zurück: Das geplante Raketen-Abfangsystem in Osteuropa soll vorerst nicht umgesetzt werden.

Mit dem Raketenschild hatten die USA sich vor allem gegen mögliche Angriffe aus Iran schützen wollen. Am Donnerstag kippte der US-Präsident Barack Obama die Pläne für den Raketenschild in Osteuropa. Er verfolge einen neuen Ansatz in der Angelegenheit, sagte Obama in Washington. Ziel sei eine intelligentere, stärkere und schnellere Verteidigung der amerikanischen Verbündeten in Europa. Er wolle nun ein technisch erprobtes und effektives System einsetzen, mit dem besser auf die von Iran ausgehenden Bedrohungen reagiert werden könne. Weitere Details nannte Obama zunächst nicht.

Der US-Präsident bekräftigte, dass sein Land eng an der Seite Polens und Tschechiens stünde. In den beiden osteuropäischen Ländern sollten die wichtigsten Komponenten des von Obamas Vorgänger George W. Bush angestoßenen Raketenabwehrsystems aufgebaut werden. Die Pläne führten zu diplomatischen Spannungen mit Russland, da das Land das Abwehrsystem als Bedrohung für seine Sicherheit empfand. Obama hatte unmittelbar nach seiner Amtsübernahme im Januar erklärt, er wolle einen Neustart im Verhältnis zu Russland.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Entscheidung. Der SPD-Kanzlerkandidat lobte die Entscheidung von Präsident Obama in Berlin als "Signal an alle Partner, dass die amerikanische Regierung gemeinsame Lösungen anstrebt". "Ich freue mich, dass wir nach der heutigen Entscheidung nun die Möglichkeit haben, das Thema der Raketenabwehr in Europa noch einmal mit allen Partnern neu zu diskutieren", sagte Steinmeier. Auf gemeinsame Bedrohungen müssten "auch gemeinsame Antworten" gefunden werden.

Auch in Moskau wurde Obamas Kurswechsel mit Zustimmung aufgenommen. Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew hat die von seinem Kollegen Barack Obama angekündigte Abkehr vom Raketenschutzschild in Osteuropa begrüßt. "Wir schätzen das verantwortungsvolle Vorgehen des US-Präsidenten, um unsere Vereinbarungen umzusetzen", sagte Medwedjew in einer Fernsehansprache am Donnerstag. Er werde kommenden Mittwoch in New York mit Obama über das Thema Raketenabwehr sprechen. "Ich bin bereit, den Dialog fortzusetzen", sagte Medwedjew.

Der russische Außenminister Sergei Lavrov hatte bereits in der vergangenen Woche angedeutet, er erwarte, dass Obama das Raketenabwehrsystem fallen lassen werde. Er sehe dies aber nicht als Zugeständnis an Russland sondern als Revision der verfehlten Politik der Bush-Ära.

Im Iran wurde die Entwicklung zunächst verhalten positiv beurteilt. Es könne sich um ein Signal handeln, dass die USA von "Bedrohungen und Konfrontation" abrückten, sagte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter in Teheran. "Entweder sind die USA zu der Auffassung gelangt, dass der Iran keine Bedrohung ist. Oder die Russen haben die Amerikaner vielleicht überzeugt, dass so ein Verteidigungsschild nicht nötig ist."

Der tschechische Ministerpräsident Jan Fischer hatte am Dienstagvormittag das Abrücken der US-Regierung von dem Abwehrsystem bestätigt. "Kurz nach Mitternacht hat mich Barack Obama angerufen, um mich darüber zu informieren, dass seine Regierung davon Abstand nimmt, auf tschechischem Gebiet einen Radar zur Raketenabwehr aufzubauen", sagte Fischer.

Dem Wall Street Journal zufolge geht die US-Regierung davon aus, dass die Europäer nun Anstrengungen für ein eigenes Raketenabwehrsystem verstärken werden. Dabei müssen sie sich auf Kurz- und Mittelstreckenraketen konzentrieren. Ein entsprechendes europäisches Programm könne in enger Zusammenarbeit mit der Nato entwickelt werden. Anders als der geplante Raketenschild würden solche Bemühungen in Russland wohl kaum auf Widerstand stoßen.

Eines der Motive für den Kurswechsel Obamas könnte der Versuch sein, die Russen für eine Unterstützung der von den USA angestrebten neuen Wirtschaftssanktionen gegen Iran zu gewinnen, mutmaßt die Zeitung. 

In Polen sieht man den Versuch der Regierung Obama, auf diese Weise die Beziehungen zu Moskau zu verbessern, allerdings skeptisch. Befürchtet man doch, dies könne auf Kosten jener osteuropäischen Länder gehen, die wie Polen zu Zeiten von Bush sehr enge Verbindungen zu den USA hatten. "Wir erwarten von den USA, dass sie zu ihren Zusicherungen, mit Polen militärisch zusammenzuarbeiten, stehen", sagte ein polnischer Regierungsvertreter dem Wall Street Journal

Warschau und Washington hatten vor einem Jahr einen Vertrag über die Stationierung von zehn Abfangraketen in Polen unterzeichnet. Der US-Stützpunkt sollte in Redzikowo bei Stolp im Nordwesten Polens entstehen. Während das Programm in Polen stets politische Unterstützung fand, gab es in Tschechien in der Bevölkerung stets viel Widerstand dagegen. 

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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