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Politik: Abgelegt und abgehakt?

Wie künftig mit Überprüfungen auf Stasimitarbeit umgegangen werden soll, erhitzt die Gemüter

Von Matthias Schlegel

Berlin - Da ist es wieder, das Reizwort „Schlussstrich“. „Mit großer Sorge“, so schreibt der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Rainer Eppelmann an seinen Parteifreund und Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, verfolge er die Debatte zur Novellierung des Stasiunterlagengesetzes. Die Befürworter des vorgelegten Gesetzentwurfs müssten sich „den Vorwurf gefallen lassen, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit der SED-Diktatur mindestens fahrlässig in Kauf zu nehmen“. Damit würde der Bundestag „jenen ehemaligen MfS-Mitarbeitern in die Hände spielen, die spätestens seit Frühjahr dieses Jahres offensiv Geschichtsklitterung betreiben“.

Eppelmann ist nicht nur Vorstandsvorsitzender der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, sondern als eine ehemalige Galionsfigur der Opposition in der DDR eine Art moralische Instanz. Auch der wissenschaftliche Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, ist mit dem Gesetzentwurf aus dem Bundestag ganz und gar unzufrieden. Wenn künftig Abgeordnete und Regierungsmitglieder nur noch im konkreten Verdachtsfall überprüft werden könnten, würde „das Vertrauen in Gesetzgeber und Regierung Schaden leiden“. Überdies beklagt Knabe, dass Polizisten, Lehrer, Pastoren, Journalisten, Vertreter von Parteien und Verbänden überhaupt nicht mehr überprüft werden könnten. Mehr noch: „Die öffentliche Aufarbeitung könnte sogar insgesamt zum Erliegen kommen, wenn ehemalige Stasimitarbeiter unter Berufung auf die Novellierung durch den Gesetzgeber gegen die Nennung ihres Namens gerichtlich vorgehen würden“, schreibt Knabe in seiner Stellungnahme für den Bundestagsausschuss für Kultur und Medien. Er verhehlt nicht, dass er den vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurf favorisiert. Der sieht schlicht eine unbefristete Verlängerung der zum Jahresende auslaufenden Überprüfungspraxis auf Stasimitarbeit vor.

Doch der von Thüringen ausgearbeitete Entwurf ist praktisch chancenlos – nicht nur wegen der Konkurrenz des Antrags der Bundestagsfraktionen. Obwohl Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) vehement für seinen Entwurf wirbt, findet er nicht einmal in den anderen Ost-Ländern Rückhalt. Zwar gaben auch Brandenburg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt Mitte Oktober in der Länderkammer dem Entwurf ihre Stimme. Doch fügten sie eine Erklärung an, in der sie sich dafür aussprachen, ihn im Gesetzgebungsverfahren noch zu verändern – und eine erneute Befristung der Stasiüberprüfungen einzubauen.

Derweil drängt die Zeit. Ende des Jahres läuft die im Stasiunterlagengesetz vorgesehene 15-Jahre-Frist aus. Schon am 10. November soll der Bundestag deshalb über die vorliegende Novelle entscheiden. Aber auch unter Juristen ist das weitere Vorgehen noch immer heftig umstritten: Die einen lehnen für die Zukunft die Möglichkeit von Überprüfungen – auch im Verdachtsfall – mit Hinweis auf übliche Verjährungsfristen generell ab. Die anderen warnen: Wenn ehemaligen Stasitätern per Gesetz ihr früheres Tun nicht mehr vorgehalten werden dürfe, drohe von denen eine Klageflut.

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