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Benedikt XVI.

© dpa

Abkehr vom Vatikanischen Konzil: Benedikt holt Erzkonservative zurück in die Kirche

Der Papst hat die Exkommunikation von vier ultrakonservativen Bischöfen aufgehoben. Darunter ist auch ein Holocaust-Leugner. Was bezweckt Benedikt XVI. mit dieser umstrittenen Entscheidung?

Nach seinen Provokationen gegenüber dem Islam, den Protestanten und den Juden hat Papst Benedikt XVI. nun auch die Kirchenreformer gegen sich aufgebracht. Der Termin für die brisante Angelegenheit, das unterstreicht die offizielle Vatikanzeitung „Osservatore Romano“, war bewusst gewählt. Auf den Tag genau 50 Jahre nachdem Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil ausgerufen hat, um die katholische Kirche „auf die Höhe der Zeit“ zu bringen, hat Benedikt jene Traditionalisten rehabilitiert, die genau dieses Konzil bis heute ablehnen. Er hat die Exkommunikation von vier ultrakonservativen Bischöfen aufgehoben. Unter ihnen ist auch einer, der den Holocaust leugnet.

Für was stehen diese Bischöfe?

Die Entscheidung des Papstes betrifft die Führer der „Priesterbruderschaft Pius X.“ von Erzbischof Marcel Lefebvre (1905–1991), die sich vor 21 Jahren durch unerlaubte eigene Bischofsweihen von der katholischen Kirche abgespalten hat. Die ultrakonservative Bewegung wirft der katholischen Kirche einen Verrat an der Glaubenstradition vor; sie protestiert gegen die kirchliche Duldung der staatlichen Religionsfreiheit, gegen den Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen sowie gegen die Öffnung der Kirche zur Welt von heute. Scharf lehnen die Traditionalisten auch die Messfeier in der heutigen Form ab und fordern die weltweite Rückkehr zum lateinischen Ritus des 16. Jahrhunderts.

Durch ihre Weihe am 30. Juni 1988 hatten sich die vier Bischöfe – Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Gallareta – nach dem Kirchenrecht selbst aus der Kirche ausgeschlossen; schon einen Tag später sprach Papst Johannes Paul II. die Exkommunikation für diesen „schismatischen (kirchenspalterischen) Akt“ auch formell aus.

Wie einflussreich ist diese Bewegung?

Der Bewegung von Erzbischof Lefebvre haben sich seit damals nach eigenen Angaben etwa 700 000 Gläubige in aller Welt angeschlossen. Die Piusbruderschaft wertet das als großen Erfolg – übersieht aber dabei die wahren Größenordnungen: Der katholischen Kirche gehören weltweit 1,1 Milliarden Menschen an; 99,9 Prozent von ihnen sind also den Ultrakonservativen ferngeblieben. Benedikt XVI. setzt sich darüber hinweg und stärkt den rechtsextremen Rand seiner Kirche. Er holt die vier traditionalistischen Bischöfe nun „aus pastoraler Sorge und väterlicher Barmherzigkeit“ in die Kirche zurück. Dem Vatikansprecher Federico Lombardi zufolge ist das ein „wichtiger Schritt zu einer vollständigen Wiederherstellung der Einheit“ der katholischen Kirche.

Gab es irgendwelche Bedingungen für die Wiederaufnahme?

Anders als bei bisherigen Versöhnungsbemühungen wurde den Traditionalisten diesmal kein formelles Bekenntnis zu den Kirchenreformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–65) mehr abverlangt. Der Papst begnügte sich in seinem, von den Traditionalisten ausdrücklich verlangten, „einseitigen Akt“ mit der Versicherung der Priesterbruderschaft, sie wolle „katholisch bleiben“, die „Lehren der römisch-katholischen Kirche in kindlicher Gesinnung annehmen“ und „fest an den Primat des Papstes und seine besondere Stellung glauben“.

Die „noch offenen Fragen“ der kirchlichen Lehre sollen nun „vertieft“ werden, damit „das Ärgernis der Spaltung“ beseitigt werde, heißt es im Dekret der Vatikanischen Bischofskongregation. Dabei ist die Priesterbruderschaft unter Bernard Fellay bis zuletzt unverrückbar bei ihren Positionen geblieben. Und sie drückt eines auch immer glasklar aus: Nicht sie will sich der kirchlichen Lehre anpassen, sondern die Kirche soll sich zu ihrer, zur alten Doktrin zurückbekehren. Noch im Oktober 2008 schrieb Fellay, das Zweite Vatikanische Konzil und die „neue Messe“ hätten „der Kirche schon so viel Schmerz bereitet, dass wir Nein sagen dürfen. Wir wissen ziemlich klar, wohin wir wollen: Wir wollen dieses Gift nicht trinken.“

Und Franz Schmidberger, der in Stuttgart ansässige Obere des deutschen Distrikts der Piusbruderschaft, schrieb im November 2008, die neue Messordnung und der – von Benedikt XVI. verantwortete – Katechismus, also die Auslegung des christlichen Glaubens, „verwässern oder verfälschen unseren Glauben“. Nicht die Traditionalisten seien ungehorsam, „sondern die, die willkürlich die unveränderliche Lehre verändern“.

Wie realistisch ist eine Aussöhnung?

Benedikt XVI. ist den Ultrakonservativen schon mehrfach entgegengekommen. Bereits vier Monate nach der Papstwahl empfing er den Leiter der Piusbruderschaft, Bernard Fellay, in Privataudienz und äußerte mit ihm zusammen den „Wunsch, schrittweise und in vernünftigen Zeiträumen zur vollen Einheit zu gelangen“. Als erstes bedeutendes Zugeständnis Benedikts wird die allgemeine Wiederzulassung der alten, der „Tridentinischen“ Messe im Juli 2007 gewertet. Sie darf jetzt als „außerordentlicher Ritus“ ohne Sondergenehmigung gefeiert werden – was den Traditionalisten allerdings nicht reicht. Ein Nischendasein innerhalb der katholischen Kirche als Spezialvereinigung mit dem bloßen Recht auf die alte Messe lehnen sie ab. „Das ist, als ob man auf den Straßen den Rechts- und den Linksverkehr gleichermaßen zulassen würde“, sagt Fellay. Die Traditionalisten verlangen in der gesamten katholischen Lehre eine „Rückkehr“ zur alten Doktrin.

Benedikt behandelt den rechtsextremen Rand seiner Kirche mit auffallender Nachsicht. Jedem „linken“ Theologen, der dogmatisch über die Stränge schlug, hat Benedikt bisher ein „Bußschweigen“ und den Widerruf seiner „Irrtümer“ abverlangt – nichts dergleichen fordert er von den Traditionalisten. Und es stellt die Dinge geradewegs auf den Kopf, wenn der Papst „das Unbehagen“ bedauert, unter dem die Ultrakonservativen „aufgrund ihrer Exkommunikation“ gelitten hätten. Sie selbst waren es, die sich wissentlich und willentlich in diesen Zustand begeben haben.

Welche Folgen kann das haben?

Benedikt XVI. hat sich mit der Aufhebung der Exkommunikation einige Probleme eingehandelt. Formell hat er die vier Bischöfe damit wieder seiner Oberhoheit unterstellt. Problematisch wird es, wenn die Traditionalisten weiterhin gegen das Zweite Vatikanische Konzil, gegen das höchste kirchliche Lehramt polemisieren und behaupten, sie allein behielten „das wahre Katholische“ bei.

Auch ist einer der vier Bischöfe, Richard Williamson, offenbar Rechtsextremist und leugnet den Holocaust. Nachdem er von Deutschland aus dem schwedischen Fernsehen ein entsprechendes Interview gegeben hat, im vollen Bewusstsein, dass der Reporter „mich ins Gefängnis bringen“ kann, ermittelt die Staatsanwaltschaft Regensburg seit der vergangenen Woche. Der Pressesprecher des Papstes sagte zwar, der Vatikan teile in keiner Weise die Äußerungen zum Holocaust; die Exkommunikation habe damit aber nichts zu tun. Über die Äußerungen Williamsons müsse auf anderer Ebene gerichtet werden. Benedikt wolle lediglich die Anhänger der Bruderschaft Pius X. wieder integrieren. Jüdische Rabbiner protestieren dennoch scharf.

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