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Nato-Raketenabwehr: Abrüstung durch Aufrüstung

Da die Vision einer kernwaffenfreien Welt von US-Präsident Barack Obama im Raum steht, rückt für die Nato nun wieder das Thema Raketenabwehr ins Zentrum der Debatte.

Brüssel - Zu Beginn des Außenministertreffens in Estlands Hauptstadt Tallinn hat Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Donnerstag gleich klargestellt, dass das atlantische Bündnis auch weiter „ein glaubwürdiges nukleares Abschreckungspotenzial aufrechterhalten“ will. „Zumindest so lange es noch Schurkenstaaten und Terrorgruppen gibt, die uns bedrohen.“ Da zugleich jedoch die Vision einer kernwaffenfreien Welt von US-Präsident Barack Obama im Raum steht, rückt nun wieder das Thema Raketenabwehr ins Zentrum der Debatte. Das System wird einem deutschen Nato-Diplomaten in Tallinn zufolge diskutiert als „eine Option, mit der sich die Schutzwirkung der Atomwaffen ersetzen lässt“.

Die Außenminister bereiten in Estland eine Entscheidung für einen solchen Nato-Abwehrschild vor, welche die 28 Staats- und Regierungschefs der Allianz Ende November in Lissabon treffen sollen. Nachdem bereits 2006 eine Machbarkeitsstudie präsentiert worden war, hatten sie auf ihrem Gipfel vergangenes Jahr in Straßburg und Kehl dem Nato-Hauptquartier in Brüssel den Auftrag erteilt, in die Detailplanung zu gehen. Seither wird dort eifrig an möglichen Stationierungsorten, den benötigten Waffensystemen und der möglichen Ausdehnung des Abwehrschildes gefeilt.

Das gesamte Bündnisterritorium gegen Angriffe mit ballistischen Raketen wappnen

Im Kern, so heißt es bei Experten, soll die atlantische Allianz als eine Art Dachverband fungieren und in einem gemeinsamen Kommandozentrum die Systeme der Einzelstaaten integrieren. Basierend auf einem im Aufbau befindlichen Raketenabwehrsystem, das Truppen im Einsatz schützt, soll künftig das gesamte Bündnisterritorium gegen Angriffe mit ballistischen Raketen gewappnet sein.

Ein amerikanischer Alleingang in Europa, den der frühere US-Präsident George W. Bush mit der geplanten Stationierung von Raketen und Radaranlagen in Polen und Tschechien vorangetrieben hatte, ist zumindest formal vom Tisch. Doch auch nachdem Obama diese Pläne gestoppt hat, um den mehr als besorgten Russen entgegenzukommen, treiben die USA ihr eigenes Raketenabwehrsystem in Europa in modifizierter Form voran: Über mobile Anlagen, die Mittelstreckenraketen abfangen könnten, wird erneut mit Warschau und Prag geredet. Der US- Nato-Botschafter Ivo Daalder nennt dies „unseren nationalen Beitrag zum künftigen Nato-System“. Das freilich bedeutet: Entweder die europäischen Nato- Staaten machen mit oder bekommen ein US-System vorgesetzt. Auch die deutsche Seite dringt daher darauf, die Russen in das Raketenabwehrprojekt einzubeziehen – die Gespräche mit der Nato laufen bereits.

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