zum Hauptinhalt
Ungewisser Ausgang. US-Präsident Barack Obama vereinbarte Anfang des Jahres mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew (links) eine Reform des Start-Abrüstungsvertrags. Doch die könnte nun an den Republikanern scheitern.

© AFP

Abrüstungsvertrag: Start kommt nicht ans Ziel

Die US-Republikaner verzögern den Abrüstungsvertrag mit Russland. Vize-Präsident Biden wirft ihnen Bedrohung der nationalen Sicherheit vor.

Die Ratifizierung des Vertrags mit Russland über die Reduzierung der strategischen Atomwaffen (Start) im US-Senat ist bedroht, nachdem der republikanische Senator Jon Kyl eine Verschiebung der Abstimmung in das neue Jahr gefordert hat. Kyl ist Verhandlungsführer der Konservativen zu Start und deshalb die Schlüsselfigur. Das Abkommen gehört zu den größeren außenpolitischen Erfolgen Barack Obamas in der ersten Hälfte seiner Präsidentschaft und ist Teil der Bemühungen, die Beziehungen zu Russland auf eine neue Grundlage zu stellen. Vizepräsident Joe Biden warnte nach Kyls Ankündigung: „Unsere nationale Sicherheit ist bedroht, wenn es nicht gelingt, den Start-Vertrag in diesem Jahr zu verabschieden.“

Obama hoffte, der Senat werde den Vertrag in der so genannten Lame duck session ratifizieren. So nennt man die Sitzungswochen des alten Parlaments zwischen der Kongresswahl vom 2. November und dem Zusammentreten des neu gewählten Parlaments im Januar 2011. Die Republikaner werden dann mehr Sitze haben als bisher. Für die Verabschiedung solcher Verträge ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, 67 der 100 Senatoren. Die Demokraten haben 59 Sitze und sind zurzeit auf die Zustimmung von mindestens acht Republikanern angewiesen. Ab Januar haben die Demokraten nur noch 53 Sitze und müssten 14 Republikaner zu einem Ja bewegen. Die Konservativen orientieren sich in dieser Frage an Kyl. Er leitet die Gespräche mit dem Weißen Haus, wo es darum geht, unter welchen Bedingungen die Republikaner zustimmen würden.

Zunächst war unklar, was Kyls Motive für die Forderung nach Verschiebung der Abstimmung ins neue Jahr sind. Möchte er nur den Preis in die Höhe treiben und wäre eventuell doch zu einer Zustimmung in diesem Jahr bereit? Am Mittwoch wollten sich Vizepräsident Biden und Außenministerin Hillary Clinton mit Kyl treffen. Oder sucht er nach einem Weg, das Abkommen zu kippen, weil die Zugeständnisse an Russland für manche Konservative zu weit gehen? Oder geht es um eine Verschiebung aus rein taktischen Gründen, weil die Republikaner gerade einen Machtkampf mit Obama um die Frage austragen, welche Konsequenzen ihr Wahlsieg auf die Steuer- und Budgetpolitik haben wird? Und wollen sie dem Präsidenten keinen Achtungserfolg in dieser entscheidenden Phase gönnen – auch nicht auf einem völlig anderen Feld, nämlich der Außen- und Sicherheitspolitik?

Im Kontext des Start-Abkommens verfolgen die Republikaner drei Ziele. Erstens fordern sie seit Jahren eine Modernisierung der verbleibenden Atomwaffen. Das will Obama zugestehen. Er hatte bereits 80 Milliarden Dollar für diesen Zweck angeboten und hat nun weitere vier Milliarden dazugelegt. Zweitens verlangen die Konservativen eine Garantie, dass der Start-Vertrag die geplante Raketenabwehr nicht beeinträchtigt. Diesen Zweifel hatten die Russen ausgelöst, als Präsident Medwedew und Obama das Abkommen im Februar schlossen und im April unterzeichneten. Offenbar aus Rücksicht auf die öffentliche Meinung in Russland behauptete der Kreml, die USA hätten eine Begrenzung der Raketenabwehr zugesagt. Das Weiße Haus hat das schon damals bestritten. Im Vertragstext steht keine solche Klausel. Die Nato hat Moskau vielmehr eingeladen, sich an der Raketenabwehr in Europa zu beteiligen. Auch diese Hürde lässt sich vermutlich nehmen, indem Obama bekräftigt, dass Start die Raketenabwehr nicht begrenzt.

Drittens möchten die Republikaner und insbesondere Kyl erreichen, dass Obama seine Zusage zurücknimmt, die USA würden keine neuen Atomwaffen entwickeln. Da sind Kompromisse schwer vorstellbar. Obama hat das langfristige Ziel einer Welt ohne Atomwaffen ausgerufen. Die Entwicklung einer neuen Waffengeneration stünde im krassen Widerspruch dazu. Republikaner setzen weiter auf die nukleare Abschreckung – und sagen, die sei nur mit modernen Waffen glaubwürdig. Außerdem halten sie Russland für schwach und sehen keinen Grund, warum die USA sich durch Verträge binden sollen.

Die Hauptsorge des Weißen Hauses gilt den Folgen für die Beziehungen zu Russland, falls der Start-Vertrag nicht ratifiziert wird. Alle Beteiligten wissen zwar, dass er auch dann umgesetzt würde und die USA die Zahl der strategischen Atomwaffen von 2250 auf 1550 reduzieren. Aber ein Scheitern im US-Senat würde das bilaterale Verhältnis belasten und den Amerikagegnern in Russland als Vorwand dienen, ihrerseits einen härteren Umgang mit den USA zu fordern.

Nach Einschätzung von Experten in den USA würde es dann keine weiteren Abrüstungsgespräche geben, zum Beispiel über die taktischen Atomwaffen in Europa, die Deutschland loswerden möchte. Und Moskau würde seine Kooperation mit der Nato bei deren Afghanistaneinsatz sowie bei den Sanktionen im Atomstreit mit Iran reduzieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false