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Abschluss des chinesischen Volkskongresses: Delegierte billigen umstrittenes Gesetz

In Peking ist der alljährliche Volkskongress zu Ende gegangen. Am letzten Tag stimmten die Delegierten über ein umstrittenes Gesetz ab - und billigten es. Schon regt sich Kritik.

Regimekritiker können in China künftig sechs Monate lang an einem unbekannten Ort festgehalten werden. Zum Abschluss seiner Jahrestagung in Peking billigte der Volkskongress am Mittwoch ein umstrittenes neues Strafverfahrensrecht, das Sicherheitsorganen weitreichende Vollmachten für Festnahmen und Hausarrest gewährt. Das Gesetz wird auch in China kontrovers diskutiert und stieß auf heftige Kritik von internationalen Menschenrechtsgruppen.

Die knapp 3000 Delegierten nahmen auch den Rechenschaftsbericht von Regierungschef Wen Jiabao an. Wegen der globalen Wirtschaftskrise wurde die Wachstumsprognose mit 7,5 Prozent auf den niedrigsten Stand seit acht Jahren reduziert. Im vergangenen Jahr hatte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt noch 9,2 Prozent Wachstum erreicht und damit die Weltkonjunktur angetrieben.

Zum Abschluss der zehntägigen Sitzung billigten die Abgeordneten auch einen Anstieg der Militärausgaben um 11,2 Prozent. Die Verteidigungsausgaben steigen auf 670 Milliarden Yuan (80 Milliarden Euro). Nach Einschätzung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Sipri) dürften die tatsächlichen Militärausgaben gut 50 Prozent höher sein, weil Forschungs- und Entwicklungsausgaben sowie die paramilitärische Bewaffnete Polizei (Wujing) von anderen Haushaltsposten abgedeckt werden.

In diesem Jahr war die Zustimmung für den Rechenschaftsbericht von Wen Jiabao aber deutlich niedriger als im Vorjahr. 2725 Delegierte stimmten dafür. Doch lag die Zahl der Gegenstimmen mit 90 fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Auch enthielten sich mit 49 Delegierten erkennbar mehr. Ohne größere Debatte nahmen die Delegierten ferner das kontroverse Strafverfahrensrecht an. 2639 stimmten dafür, 160 dagegen. 57 enthielten sich.
Das nicht frei gewählte Parlament hat bislang noch jede Vorlage angenommen, doch war auffällig, dass die Zustimmung für das Strafverfahrensrecht vergleichsweise zurückhaltend war. Im chinesischen Internet war kritisiert worden, dass es nur kurzfristig vorgelegt worden war. Die Zensur unterband aber die Online-Debatte und strich kritische Beiträge in Mikroblogs.

Rechtsexperten und internationalen Menschenrechtsgruppen haben das Gesetz scharf kritisiert. Bei vage definierten politischen Verdächtigungen wie „Gefährdung der Staatssicherheit“ oder „Terrorismus“ sowie bei „größeren Bestechungsfälle“ erlaubt das Gesetz „häusliche Überwachung“ an einem unbestimmten Ort, wenn es für ungehinderte Ermittlung nötig erscheint. Dem Verdächtigten kann jeder Zugang zu einem Anwalt verweigert werden. Angehörige müssen zwar unterrichtet werden, aber nicht den Aufenthaltsort kennen.

„Solche Vorkehrungen sind eine große Gefahr für Kritiker der Regierung und Menschenrechtsaktivisten“, sagte Sophie Richardson, China-Direktorin der Organisation Human Rights Watch. „Es ist auch ein klarer Verstoß gegen Chinas internationale Verpflichtungen.“ Haft an unbekannten Orten berge „eine große Gefahr von Folter und Misshandlungen“. Mehrere Bürgerrechtsanwälte, die vergangenes Jahr unter Hausarrest gehalten wurden, hätten von Folter berichtet.

In den vergangenen Jahren waren wiederholt Kritiker, darunter der berühmte Künstler Ai Weiwei, der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo oder der Bürgerrechtsanwalt Gao Zhisheng, unter „häuslicher Überwachung“ gehalten worden. Solcher Freiheitsentzug wird jetzt legitimiert. Der Vorwurf der Bedrohung der nationalen Sicherheit und speziell der „Untergrabung der Staatsgewalt“ wird immer wieder gegen friedliche demokratische Aktivisten erhoben.

Ähnliches gilt für Angehörige von Minderheiten wie Tibeter oder Uiguren, die auch leicht dem Terrorismus- und Separatismusverdacht ausgesetzt sind, wenn sie sich gegen Chinas Regierung wenden oder größere politische, kulturelle oder religiöse Freiräume einfordern.

Der berühmte chinesische Künstler Ai Weiwei hat die Möglichkeit der monatelangen informellen Inhaftierung für Regimekritiker im neuen Strafverfahrensrecht in China kritisiert. Die Bestimmungen seien „illegal“ und widersprächen UN-Konventionen, die Schutz vor solchen heimlichen Festnahmen böten, sagte der Regimekritiker am Mittwoch nach der Annahme des Gesetzes durch den Volkskongress der Nachrichtenagentur dpa in Peking.

Das Gesetz widerspreche fundamentalen Menschenrechten und moralischen Grundsätzen. „Es wird der Polizei sehr viele Vorwände geben, bei der Umsetzung rechtswidrig zu handeln; und es wird Panik in der Gesellschaft auslösen“, sagte der Künstler, der im vergangenen Jahr selbst zwei Monate an einem unbekannten Ort unter solcher „häuslicher Überwachung“ gefangen gehalten worden war.

„Das größte Problem ist, dass das Recht zur Interpretation und der Umsetzung des Gesetzes in den Händen einer Partei ist“, sagte Ai Weiwei. „Egal ob Gerichte, Staatsanwälte oder Polizei, alle arbeiten gemeinsam zusammen. Es gibt keinerlei Aufsicht. Niemand stellt illegales Handel infrage.“ (dpa)

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