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Gemeinsam für eine Sache. Im neuen Abwehrzentrum wollen Landeskriminalämter, Bundeskriminalämter und andere Sicherheitsorgane enger zusammenarbeiten – damit Fehleinschätzungen wie im Fall der Jenaer Terrorzelle künftig vermieden werden.

© dapd

Kampf gegen Rechts: Abwehrzentrum gegen Rechts gestartet

Bundesinnenminister Friedrich eröffnet das „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“. Es soll nicht der letzte Schritt im Kampf gegen Rechts sein.

Von Frank Jansen

Er gilt manchmal als zögerlich, doch jetzt hat sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) durchgesetzt – und das erstaunlich schnell. Gerade mal sechs Wochen nach dem finalen Auftritt der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ eröffnete Friedrich am Freitag in Berlin das „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR)“, das die Bekämpfung brauner Gewalt erheblich voranbringen soll. Der Minister hatte Bedenken in den Ländern gegen das GAR-Projekt des Bundes kompromisslos abgewiesen und demonstrierte nun Zufriedenheit. „Ich freue mich, dass alle Länder dabei sind“, sagte Friedrich bei der Vorstellung des GAR. Aus den Ländern war zwar niemand da, aber Friedrich wurde prominent flankiert von den Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Was die drei verkündeten, bedeutet nicht weniger als einen Umbau der Sicherheitsarchitektur ähnlich dem, der nach 9/11 stattfand.

Im GAR wird sich fast die gesamte Sicherheitscommunity der Bundesrepublik treffen. Es sind dabei: die Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, Europol, die Bundesanwaltschaft, die Landesbehörden für Verfassungsschutz, das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst und, falls bei militanten Rechtsextremisten ausländische Bezüge zu erkennen sind, der Bundesnachrichtendienst. Die geballte Kraft ist laut Friedrich „eine Konsequenz aus den organisatorischen Defiziten“, die im Fall NSU bei den Sicherheitsbehörden zu erkennen waren.

Polizei und Nachrichtendienste hatten sich einen kompletten Blackout geleistet. Keine Behörde bekam Kenntnis von der Terrorzelle. Erst als die Polizei am 4. November im thüringischen Eisenach die Toten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem brennenden Wohnmobil fand und am selben Tag Beate Zschäpe im sächsischen Zwickau ein halbes Haus in die Luft jagte, wurde der Republik und ihren Sicherheitsorganen bewusst, dass rechtsextreme Terroristen fast 14 Jahre lang aus dem Untergrund heraus ihren mörderischen Gewaltwahn austoben konnten.

Jeweils 50 Beamte des Bundeskriminalamts und des Bundesamtes für Verfassungsschutz sollen mit Kollegen aus den anderen Behörden die Gefahr rechtsextremer Gewalt deutlich eindämmen – so wie das dem im Dezember 2004 gegründeten „Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum“ beim militanten Islamismus gelungen ist. Das GAR wird auf zwei Standorte aufgeteilt, damit wird auch räumlich das Trennungsgebot beachtet, das die Kompetenzen von Polizei und Nachrichtendiensten gegeneinander abgrenzt. Die Verfassungsschützer des GAR sind in Köln angesiedelt, wo sich die Zentrale des Bundesamtes für Verfassungsschutz befindet. Die Polizeibeamten sitzen in Meckenheim, hier unterhält das Bundeskriminalamt eine Dependance für den mit politisch motivierter Kriminalität befassten Staatsschutz. Im wöchentlichen Turnus sollen sich Experten des GAR mal in Köln, mal in Meckenheim treffen. Das neue Abwehrzentrum solle „Verfolgungseinsätze“ gegen die Szene der gewaltorientierten Rechtsextremisten zentral koordinieren, sagte BKA-Präsident Ziercke, „wir wollen einen permanenten Fahndungs- und Verfolgungsdruck“.

Dazu gehört auch, sich ein umfassendes und weit detaillierteres Lagebild zu verschaffen, als es die Behörden bisher bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus hatten. Das GAR wird unter anderem zurückliegende Fälle brauner wie auch ungeklärter Gewalttaten prüfen, um bislang unentdeckte Strukturen finden zu können. Dazu sollen ebenfalls die vom Tagesspiegel und zwei weiteren Zeitungen recherchierten Tötungsverbrechen untersucht werden, die offiziell nicht als rechts motiviert gelten. „Es kommt alles auf den Tisch“, sagte Ziercke am Rande der GAR-Eröffnung. Der Tagesspiegel zählte, wie berichtet, vor Bekanntwerden der NSU-Taten insgesamt 138 Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung, Bundesregierung und Polizei nannten bis dahin lediglich 48 Tote.

Die Sicherheitsbehörden wollen auch die rechtsextremen Aktivitäten im Internet stärker unter die Lupe nehmen. Seit dem 1. Dezember gibt es eine „Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus“, sie ist angebunden beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Der Bundesinnenminister hofft zudem, die von ihm angestrebte Verbunddatei zu gewaltorientierten Rechtsextremisten bald realisieren zu können. Im Januar will Friedrich einen Gesetzentwurf im Kabinett vorstellen.

Dass GAR und weitere Maßnahmen nötig sind, demonstriert die rechte Szene auch aktuell. Nach Informationen des Tagesspiegels werden in einem Internetforum Attentate propagiert. „Für Hinrichtungen der Volksverräter bin ich auch“, schrieb ein Nutzer. Er fiel bereits mit ähnlichen Kommentaren zum Massaker des Norwegers Anders Breivik auf. Jeder Beitrag endet „Mit deutschem Gruß“.

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