zum Hauptinhalt
Harte Gangart. Die Polizei verhaftete am Dienstag in Kairo etliche Menschen.

© REUTERS

Ägypten: Gesetz gegen Demokratie

Die neue ägyptische Führung erschwert Proteste auf der Straße massiv – und droht Demonstranten mit harten Strafen. Menschenrechtler und auch die USA sind empört.

Es dauerte nur wenige Minuten, dann erfuhren die politischen Aktivisten in Kairo zum ersten Mal das neue Demonstrationsrecht am eigenen Leibe. Erst flogen Tränengasgranaten, dann stürzten sich Greifkommandos der Polizei auf die friedliche Menge, die ein Ende der Militärprozesse gegen Zivilisten fordern wollte. Männer in zerrissenen Hemden wurden abgeführt und geschlagen, Frauen von Uniformierten geohrfeigt. Zwei Dutzend festgenommene Demonstrantinnen setzte die Polizei Stunden später vor den Toren Kairos nachts in der Wüste aus. Am Mittwoch erließ die Justiz Haftbefehl gegen zwei der bekanntesten Demokratie-Aktivisten des Landes, den Mitbegründer der Bewegung „6. April“, Ahmed Maher, sowie den Bürgerrechtler Alaa Abdel Fattah. Sie hätten zu einer ungenehmigten Demonstration aufgerufen und damit gegen das neue Gesetz verstoßen, hieß es zur Begründung.

Denn seit vergangenen Sonntag ist auf Ägyptens Straßen die Uhr wieder auf die altbekannten Mubarak-Verhältnisse zurückgedreht. Das neue Versammlungsrecht, welches Interimspräsident Adly Mansur per Unterschrift in Kraft setzte, lässt die autoritären Zustände, die vor der Revolution 2011 herrschten, ungeniert wieder aufleben. Der Text zeige, wie der Staat künftig Proteste seiner Bürger verstehe: „als Verbrechen auf frischer Tat und Missbrauch öffentlicher Plätze“, schrieb Karim Medhat Ennarah von der angesehenen „Ägyptischen Initiative für persönliche Rechte“. Eine Kritik, der sich 19 weitere lokale Gruppen anschlossen. Alle Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen würden kriminalisiert, die Polizei bekäme geradezu „freie Hand“ gegenüber der Bevölkerung.

In Zukunft muss jede öffentliche Versammlung mit mehr als zehn Personen, selbst im Wahlkampf oder auf Parteikongressen, drei Tage vorher von der zuständigen Polizeiwache genehmigt werden. Der Antrag muss die Namen der Organisatoren enthalten, den Grund des Protestes und die Slogans, die die Demonstranten skandieren wollen. Gleichzeitig ist der Gesetzestext gespickt mit nebulösen Straftatbeständen und drastischen Strafdrohungen, so dass sich im Grunde niemand mehr einer politischen Kundgebung anschließen kann, ohne hohe Geldbußen oder Gefängnis zu riskieren. Wer „den Gang der Justiz behindert“ oder „die Rechte anderer Bürger einschränkt“, kann bis zu fünf Jahre hinter Gitter wandern. Wer sein Gesicht maskiert, dem drohen bis zu zwölf Monate Haft.

Und so kommt von ägyptischen Bürgerrechtlern und auch von Human Rights Watch, Amnesty International sowie der amerikanischen Regierung harte Kritik. Das neue Paragrafenwerk entspreche nicht internationalen Standards und behindere Ägyptens Weg zur Demokratie, urteilte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki. Aus Protest gegen das Vorgehen der Polizei kam es auch in dem 50-köpfigen Verfassungsrat, der das neue Grundgesetz ausarbeiten soll, zum Eklat. Das Gremium tagt seit zwei Monaten faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit und will seinen Verfassungstext Anfang Dezember vorlegen. Zehn der 50 Mitglieder erklärten am Mittwoch, sie würden ihre Arbeit erst dann fortsetzen, wenn alle Demonstranten auf freiem Fuß seien. „Was sich gerade abspielt, gefährdet die Zukunft unseres Landes“, erklärte einer der Dissidenten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false