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Soldaten verteilen Flaggen an die Menschen auf dem Platz.

© AFP

Ägypten: Klatschmarsch und Erinnerungsfotos

Hunderttausende verwandelten am Freitag den Tahrir-Platz in ein endloses Fahnenmeer und bejubelten die erste Woche nach dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak.

Sie können kämpfen, die Ägypter, und sie können feiern. Hunderttausende verwandelten am Freitag den Tahrir-Platz in ein endloses Fahnenmeer und bejubelten die erste Woche nach dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak. Eine Militärkapelle marschierte zackig durch die fröhlich klatschende Menge. Erinnerungsfotos mit Armeeoffizieren waren die begehrtesten Trophäen.

Genau eine Woche war es am Freitag her, als der 82-jährige Diktator seine Rücktrittserklärung im Fernsehen verlesen ließ. Seitdem ist am Nil politisch mehr passiert als in den vergangenen 30 Jahren zusammen. Der Oberste Militärrat mit Verteidigungsminister Hussein Tantawi an der Spitze setzte die Verfassung außer Kraft und löste das Parlament auf. Innerhalb von Stunden verschwanden Mubarak-Porträts zu Abertausenden in Kellern oder Mülltonnen. Drei frühere Kabinettsmitglieder sitzen hinter Gittern, darunter der verhasste Innenminister Habib al-Adly, der Scharfschützen vom Dach seines Ministeriums auf die Demonstranten schießen ließ. Der Schweiz und der Europäischen Union liegen offizielle Ersuche aus Kairo vor, das illegal beiseitegeschaffte Vermögen früherer Regimegrößen zu beschlagnahmen.

Gleichzeitig wird das Land von einer beispiellosen Streikwelle erschüttert. In Mahalla stehen die größten Textilfabriken des Landes still. Tausende Angestellte der Suezkanal-Behörde legten ihre Arbeit nieder. Selbst die Polizisten demonstrierten inzwischen für ein „sauberes Image“ ihrer Zunft. Doch mit ihnen sind die Menschen noch lange nicht fertig. „Weg mit der Staatssicherheit, weg mit der Geheimpolizei“ riefen sie am Freitag und forderten die Freilassung aller politischen Gefangenen. Hunderte während des Aufstands verschleppte Frauen und Männer werden noch vermisst. Und die wenigen Opfer, die wieder auftauchen, erzählen schreckliche Details von Folter und Misshandlungen – auch durch Soldaten. 365 Menschen sind bisher bei dem Aufstand gestorben.

„Das Verlogene kann niemals die Wahrheit besiegen“, predigte derweil der einflussreiche Scheich Youssef al-Karadawi. Zum Freitagsgebet auf dem Platz der Befreiung war der ägyptische Kleriker eigens aus seiner Wahlheimat Qatar angereist. Der 84-Jährige steht bei der Protestbewegung hoch im Kurs, weil er bereits am vierten Tag der Unruhen Mubarak zum Rücktritt aufforderte.

Der junge Abdullah Rahman war von Anfang bis Ende dabei. Jeder einzelne der 18 Tage hat sich in seinen Kopf eingegraben. Jeden Augenblick und jedes Gefühl könne er noch wie in einem Film abrufen, sagt der 22-Jährige. Sherif Yassin dagegen gehörte zu den Revolutionären der letzten Stunde. Erst am Tag des Sturzes kam er dazu. Der füllige 40-Jährige ist Manager bei einer Ölfirma. „Wir waren ganz unten, tiefer ging es nicht mehr“, sagt er. In fünf bis zehn Jahren werde Ägypten der Tigerstaat der arabischen Welt sein. „Wir können es viel besser.“

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