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Politik: "Ärzte im Discount"

Einen Tag nachdem Ulla Schmidt (SPD) ihre Reformpläne für das Gesundheitssystem vorgestellt hat, bricht Kritik über die Gesundheitsministerin herein. Besonders skeptisch sind die Ärzte-Verbände.

Einen Tag nachdem Ulla Schmidt (SPD) ihre Reformpläne für das Gesundheitssystem vorgestellt hat, bricht Kritik über die Gesundheitsministerin herein. Besonders skeptisch sind die Ärzte-Verbände. Schmidt will künftig einzelne Mediziner berechtigen, mit den Kassen Verträge über Leistungen auszuhandeln. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Manfred Richter-Reichhelm, sorgt sich deshalb vor "Discount-Ärzten", wenn "die Krankenkassen die Preise der Behandlung diktieren" könnten. Qualität werde zugunsten ökonomischer Aspekte leiden. "Den Marsch auf den Kassenversorgungsstaat mit einem entmündigten Patienten" fürchtet der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Karl Horst Schirbort. Seine Kritik gilt der geplanten Einschränkung der freien Arztwahl und der Förderung ärztlicher Versorgungsnetze. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, begrüßt jedoch das von Schmidt vorgeschlagenen "Hausarztmodell": "Patienten, die sich bei Hausärzten einschreiben und auf die absolut freie Arztwahl verzichten, sollen einen günstigeren Beitragssatz bekommen. Das finde ich interessant und auch positiv", sagte er der "Sächsischen Zeitung".

Der Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Eckard Fiedler, begrüßt die Absicht der Ministerin, dem Steuerzahler einen Teil der versicherungsfremden Leistungen, wie die Finanzierung von Haushaltshilfen oder Beitragsfreiheit während des Erziehungsurlaubs, zu übertragen. Nicht alle Lasten dürften den gesetzlichen Krankenkassen aufgeladen werden. Allein die Rentenreform entziehe den Kassen rund zwei Milliarden Mark an Beitragseinnahmen. Die Beitragserhöhungen bezeichnete der Vorstandschef als "ganz schmerzhaft" - vor allem deshalb, weil sie die Entsolidarisierung forcierten. Gesunde könnten zu den Privatversicherern wechseln, sagte er, "die Kranken wechseln nicht". Der Verband der Angestellten-Krankenkassen gibt sich mäßig begeistert von den Schmidtschen Plänen. Die Ärzte einzeln verhandeln lassen, den Hausarzt durch das Lotsenmodell stärken - das fordere man schon lange, sagt Sprecherin Michaela Gottfried. Allerdings zeige der internationale Vergleich, dass das Hausarztmodell nur Kosten spare, wenn die Ausgaben der Ärzte gleichzeitig budgetiert blieben. Eckhard Schupeta, Vorstandschef der Deutschen Angestellten Krankenkasse, glaubt zumindest, dass "größere Spielräume bei Verträgen mit den Ärzten die Qualität der Versorgung erhöhen".

"Die Referentenentwürfe sind nur ein Reförmchen", sagt Marc Rath, Sprecher des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller. Arzneimittel künftig auf das Verhältnis von Preis und medizinischem Nutzen zu prüfen, sei überflüssig. "Arzneimittel werden vor der Zulassung auf Qualität, Wirksamkeit und medizinischen Nutzen getestet", so Rath. Eine zweite Prüfung verursache nur unnötige Kosten für den Patienten. Die Apotheker fürchten besonders den Verkauf von Arzneimitteln via Internet. Der Präsident des Bundesverbandes, Hans-Günter Friese, sieht die Arzneimittelsicherheit in Gefahr, wenn der Apotheker den Kunden nicht mehr direkt berate. Ulf Fink, Vorsitzender der CDU-Kommission "Humane Dienste", nennt Schmidts Pläne "begrenzt wirksam"; die Ministerin drücke sich vor dem Problem, dass im Gesundheitswesen keine unbegrenzten Leistungen versprochen werden könnten.

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