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Politik: Affäre Ärgerlich

Warum Sigmar Gabriels Name auf Parteitags-Stimmzetteln stand, weiß niemand – die SPD will die Sache abhaken

In der Parteizentrale der SPD bleiben auch nach diesem Montag etliche Fragen offen. Mit einem Gerücht aber wollte Generalsekretär Olaf Scholz ein für alle Mal aufräumen: Er wisse nicht, ob sich die Berichterstatterin des Ortes der Pressekonferenz bewusst sei, sagte Scholz auf eine der vielen Fragen nach vermeintlichen Intrigen im Willy- Brandt-Haus. Und dann verriet er: „Es geht hier nicht um eine Intrige am englischen Königshof“. Gerhard Schröder ist demnach nicht Queen Elizabeth, Olaf Scholz nicht Prinz Charles, und Willy heißt nach wie vor Brandt und nicht Willy Buckingham.

Das wäre es dann aber schon mit den geklärten Fragen. Noch immer ist völlig unklar, warum ein Mitarbeiter der Parteizentrale vor dem SPD-Parteitag in Bochum einen Wahlzettel entwarf, auf dem der Name Sigmar Gabriel als Kandidat für den Generalsekretärsposten auftauchte. Just jener Gabriel, dem vor dem Parteitag öffentlich Ambitionen auf Scholzens Amt nachgesagt wurden, was Gabriel selbst stets bestritt. Scholz war sehr bemüht, den Vorfall herunterzumoderieren, auf die tiefstmögliche Ebene. So habe ein „Mitarbeiter im unteren Bereich“ den Wahlzettel einige Wochen vor dem Parteitag produziert. Mit diesem Mitarbeiter werde man nun reden, „warum er auf so einen Einfall gekommen ist“. Er selber habe den Zettel nicht gesehen, sagte Scholz. „Und ich habe auch nicht vor, ihn zu sehen.“ Die Zettel-Geschichte sei „ein Vorgang von geringerer Bedeutung“, der Aufregung nicht wert, bleibe aber „ärgerlich“.

Auch andere SPD-Politiker bemühten sich, den Ärger herunterzuspielen. „Jetzt muss Schluss sein mit diesen albernen Geschichten“, forderte der Niedersachse Hubertus Heil, Sprecher des Netzwerks junger Sozialdemokraten. Der Vorfall sei weder als Verschwörung der niedersächsischen Genossen gegen Scholz zu verstehen noch eine Intrige des Willy-Brandt-Hauses gegen Gabriel.

Gabriel selbst hatte dies am Wochenende freilich anders gesehen und polterte aus seiner Heimat gegen den „Intrigantenstadl“ in der SPD-Zentrale. Die spontane Verärgerung Gabriels kann Heil zwar nachvollziehen, rät aber zur verbalen Abrüstung. „Mit Abstand betrachtet ist der Vorgang wohl viel banaler als derzeit dargestellt“, sagte Heil. Das einzig Spannende sei noch die Frage, wer ein Interesse daran hatte, die Zettel-Panne in die Öffentlichkeit zu tragen, statt den Vorgang auf unterster Ebene, also im Keller der Parteizentrale zu belassen. Am Montag haben Gabriel und Scholz immerhin miteinander telefoniert und sich dabei „freundlich“ unterhalten, wie Scholz betonte. Noch vor Weihnachten will Scholz einer Einladung zum Gespräch mit dem niedersächsischen SPD-Vorstand folgen.

Ein anderes Verhältnis, das zwischen Gabriel und Kanzler Gerhard Schröder, muss nach Einschätzung interner Beobachter hingegen „erst noch abkühlen“. Schröder hatte Gabriel und Niedersachsens SPD-Chef Wolfgang Jüttner vorgeworfen, den Widerstand gegen die Wahl von Scholz zum Generalsekretär organisiert zu haben, was zu dessen schlechtem Ergebnis von knapp 53 Prozent geführt habe. Welche Folgen die Querelen um Gabriel haben, wird sich unter anderem am 8. Dezember zeigen, wenn der frisch gewählte Vorstand der SPD zusammenkommt, um die restlichen Mitglieder des Präsidiums zu wählen. Netzwerker wie Heil jedenfalls rechnen fest mit einer Kandidatur Gabriels und räumen dem ehemaligen niedersächischen Ministerpräsidenten ebenso wie Netzwerk-Kandidat Christoph Matschie, Landeschef der SPD in Thüringen, „realistische Chancen“ ein.

Markus Feldenkirchen

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