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Bundeswehrsoldaten und Mitarbeiter einer Baufirma unterhalten sich in Masar-i-Scharif über ein Brückenbauprojekt.

© dapd

Afghanistan: Angst vor dem Abzug

Die Bundeswehr soll bis Ende 2014 aus Afghanistan abziehen. Die Entwicklungshelfer bleiben und sorgen sich um ihre Sicherheit ohne den Schutz der Truppen.

Von Hans Monath

Wer sorgt für unseren Schutz, wenn die Bundeswehr und andere internationale Truppen abziehen? Diese Sorge von Mitarbeitern deutscher Entwicklungsprojekte in Afghanistan hat Anfang der Woche die Vorstandssprecherin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Tanja Gönner, auf einem Kongress in Berlin öffentlich gemacht. Dabei gehe es vor allem um Notfallevakuierung und um medizinische Versorgung, sagte Gönner, in deren Auftrag rund 350 deutsche und 1500 afghanische Helfer in dem Land tätig sind. Noch können sich die Experten im Notfall in die Militärcamps der internationalen Schutztruppe flüchten und in deren Feldlazaretten behandeln lassen.

Die Bundeswehr drängt sich nicht nach dieser Aufgabe, wie Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) in seiner Antwort auf Gönner deutlich machte. Aber das Problem stellt sich: Bis Ende 2014 sollen die internationalen Kampftruppen abziehen, die Entwicklungszusammenarbeit mit den Afghanen aber soll auf mindestens gleichem Niveau weitergehen, um das Land zu stabilisieren und es in die Lage zu versetzen, sich selbst zu versorgen.

„Die deutsche Entwicklungskooperation zieht mit ihren Experten ja nicht ab – sie wird nach 2014 noch wichtiger werden“, sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) dem Tagesspiegel. Der Ressortchef weist darauf hin, dass Entwicklungsexperten in deutschem Auftrag anders als deutsche Soldaten nur dort tätig sind, wo sie den Ortsansässigen willkommen sind: „Unsere Kooperation ist vor Ort anerkannt und von der afghanischen Bevölkerung getragen.“ Klar ist für Niebel, dass für die Sicherheit der Helfer auch nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen gesorgt werden muss. „Die notwendigen Vorkehrungen dazu werden getroffen“, verspricht er.

Nach Angaben von Niebels Ministerium hat sich die Sicherheitslage für die Entwicklungsexperten auch in Talokan und Faisabad nicht verschlechtert, wo die Bundeswehr früher bestehende Standorte bereits aufgegeben hat und nun afghanische Kräfte für Ordnung sorgen. Die afghanischen Mitarbeiter deutscher Entwicklungsprojekte gelten auch als weniger gefährdet als etwa Übersetzer der Bundeswehr. Sie sollen nach dem Willen des Verteidigungsministers eine Zukunft in Deutschland bekommen, wenn sie in ihrem Heimatland wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Deutschen bedroht sind. Ganz ausschließen will Niebel eine solche Unterstützung auch für seine Helfer nicht: „Ob in Einzelfällen eine Ausreise aus Afghanistan notwendig ist, klären wir im Gespräch mit den anderen Ressorts“, sagte er.

Wie sehr Afghanistan weiter auf internationale Hilfe angewiesen ist, macht der neue Fortschrittsbericht deutlich, den das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedete. Danach weist das Land weltweit die zweithöchste Kindersterblichkeitsrate auf: „Jedes sechste Kind erlebt seinen fünften Geburtstag nicht und jedes zehnte Kind ist akut unterernährt.“ Das prognostizierte Wirtschaftswachstum reiche nicht aus, um die Zahl der Armen in den kommenden Jahren zu verringern, weil die afghanische Bevölkerung jährlich um eine Million Menschen wachse. Jede Afghanin bekommt durchschnittlich 6,3 Kinder.

Positiv vermerkt der Bericht, dass sich das Land seit dem Sturz der Taliban enorm entwickelt habe, die staatlichen Einnahmen und das Pro-Kopf-Einkommen deutlich gestiegen seien. Scharf kritisierte die Bundesregierung, dass die Entwicklung weiter durch Amtsmissbrauch und Korruption gehemmt wird. „Zunächst bis 2016“ soll Deutschland, das drittgrößte Geberland, weiterhin mit bis zu 430 Millionen Euro jährlich helfen.

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