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Afghanistan: Bundeswehr zieht mit Panzern gegen Taliban

Die Bundeswehr stellt als Reaktion auf die massiven Taliban-Angriffe ihr Einsatzkonzept in Afghanistan um. Um sich selbst besser zu schützen, setzen die Soldaten künftig auch auf schweres Gerät.

Von Robert Birnbaum

Faktisch stimmt das Bild vom friedfertigen Patrouillenfahrer seit geraumer Zeit nicht mehr. Doch jetzt hat Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan dem Verteidigungsausschuss des Bundestages neue Einsatz-Leitlinien vorgetragen und damit den Schwenk quasi offiziell vollzogen. In der vertraulichen Unterrichtung am Mittwoch wurde deutlich: Die Bundeswehr scheut jetzt auch vor dem Einsatz schweren Geräts nicht mehr zurück. Selbst für Luftunterstützung durch Kampfflugzeuge der Alliierten erhalten die Kommandeure freiere Hand.

Schneiderhan hat den Abgeordneten eine Reihe von Waffensystemen genannt, die künftig gegen Taliban eingesetzt werden könnten. Dazu zählen Mörser – die hat die Truppe in Afghanistan bis jetzt nur mit Leuchtgranaten bestückt; jetzt ermutigt der oberste Militär dazu, scharfe Munition zu laden. Dazu zählen zusätzliche gepanzerte Truppentransporter der Typen Igel, Dingo und Fuchs, die zum Teil vom Kosovo verlegt werden. Dazu zählte Schneiderhan aber ausdrücklich auch Marder- Schützenpanzer.

Vier der 30-Tonnen-Kolosse stehen beim deutschen Hauptquartier in Masar-i-Scharif. Zum Einsatz ihrer Bordkanonen und Maschinengewehre kamen sie bisher nicht. Das liegt auch daran, dass die meisten Kämpfe rund um Kundus toben. Doch war der Stillstand auch politisch erwünscht, sollte doch das deutsche Militär gerade nicht mit Ketten rasseln. Aber seit knapp zwei Monaten sehen sich die Soldaten der Isaf-Truppe in regelrechte Gefechte verwickelt. „Es geht um tägliche Kämpfe auf Leben und Tod“, sagt ein Verteidigungspolitiker. Am Montag geriet eine Einheit der afghanischen Armee in der Nähe von Kundus sogar derart in Bedrängnis, dass die von den Deutschen geführte Isaf-Truppe Luftunterstützung anforderte. Eine amerikanische A-10 Thunderbolt kam und nahm die Aufständischen unter Kanonenfeuer.

Bedenken treten in den Hintergrund

Der konkrete Hilferuf an die US-Verbündeten ging von belgischen Isaf-Einheiten aus. Aber Schneiderhan machte im Ausschuss deutlich, dass „Close Air Support“ künftig auch von deutschen Kommandeuren bei Bedarf angefordert werden soll. Theoretisch ist das nicht mal neu. Der General mit dem politiknahen Posten betonte denn auch, strategisch bedeute dies alles „keine neue Qualität“, es gehe um ein neues taktisches Vorgehen. Aber gerade Luftangriffe galten bisher als höchst unerwünscht wegen der Gefahr, versehentlich Zivilisten zu töten.

Solche Bedenken treten jetzt in den Hintergrund. Schneiderhans neue Linie, sagt ein Abgeordneter, hänge wohl auch mit seiner jüngsten Reise nach Afghanistan zusammen. Im Ausschuss traf der Vortrag des Generalinspekteurs auf breite Zustimmung. Unter Verteidigungsexperten herrscht ohnehin die Meinung vor, die Isaf sollte für den ausufernden Kampfeinsatz eher noch stärker gerüstet sein. Eigentlich, sagt einer, brauche die Truppe Kampfhubschrauber und Artillerie, um den Taliban ausreichend überlegen zu sein.

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