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Politik: Afghanistan: "Das sind gefährliche Verrückte"

Der Weg von Imam Sahib nach Kundus führt durch eine von Schützengräben durchfurchte Wüste. Amir Latif Ibrahimi, Kommandant der Nordallianz für den nördlichen Frontabschnitt vor Kundus, ist diesen Weg in den vergangenen Tagen schon oft gefahren.

Der Weg von Imam Sahib nach Kundus führt durch eine von Schützengräben durchfurchte Wüste. Amir Latif Ibrahimi, Kommandant der Nordallianz für den nördlichen Frontabschnitt vor Kundus, ist diesen Weg in den vergangenen Tagen schon oft gefahren. Vor den Toren der Stadt hat er mit den Führern der Taliban über eine friedliche Übergabe der Stadt verhandelt. "Wir wollen nicht kämpfen", sagt er. "Es muss einen anderen Weg geben." In Kundus, der letzten Bastion der Taliban im von der Allianz eroberten Nordafghanistan, hatten sich zuletzt 12 000 Kämpfer verschanzt. 3000 von ihnen sollen ausländische Söldner sein - Pakistanis, Araber, Tschetschenen. Es gibt kein Entkommen: Rund um die Stadt stehen Ibrahimi und seine Kommandantenkollegen. Ihnen ergaben sich am Samstag einige hundert Taliban, aber nur wenige Söldner.

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Schwerpunkt: Wege jenseits der Bomben Fotostrecke: Krieg in Afghanistan Längst schon hatten die einheimischen Taliban dem Feind signalisiert, dass sie aufgeben wollten. Selbst hohe Funktionäre wie der ehemalige Polizeichef von Kundus, Mohammad Nasiri, erkannten die Ausweglosigkeit ihrer Lage - Nasiri kam vor einigen Tagen mit Sack, Pack und 200 Soldaten über die Frontlinie nach Imam Sahib und begab sich unter den Schutz der Nordallianz. Was den sofortigen Fall der Stadt verhindert, sind jene Menschen, die man hier bloß "die Ausländer" nennt: Sie haben nichts mehr zu verlieren. Sie wissen, dass sie nicht mit Gnade oder Wohlwollen des Gegners rechnen können. "Sie halten die Taliban und die ganze Zivilbevölkerung als Geiseln", sagt Amir Latif. "Das sind gefährliche Verrückte."

Latif hat den Taliban ein Angebot gemacht, das sie eigentlich kaum ausschlagen können: Sie sollen bis heute, Sonntag, ihre Waffen niederlegen und ihre schwere Artillerie zurücklassen. Im Gegenzug bekommen sie freies Geleit in den Süden, in die Provinzen Kandahar oder Helmand, zu ihren paschtunischen Kampfbrüdern. Sogar ein Begleitschutz wird ihnen für die weite Reise über Masar-i-Sharif und Herat mitgeschickt. Nur die obersten Taliban-Kommandanten sowie alle ausländischen Söldner sollen an die UN oder das Rote Kreuz übergeben werden. Zwei Schönheitsfehler hat dieser Deal: Erstens sind weder die UN noch das Rote Kreuz an ihm beteiligt. Zweitens ist völlig unklar, ob er mit den "Ausländern" abgesprochen ist. Den sicheren Tod oder die Gefangennahme vor Augen, könnten sie noch ein Blutbad anrichten.

Sibylle Hamann

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