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AFGHANISTAN: Ein bisschen Frieden

Stammesfürsten in Afghanistan wollen ein Ende der Gewalt – vom Westen sehen sie sich falsch verstanden. Aus den USA wird unterdessen Kritik an der afghanischen Führung und dem Umgang mit den entführten Südkoreanern laut.

Der Appell war leidenschaftlich. Würden Kabul und Islamabad bei der Bekämpfung der Taliban gemeinsam vorgehen, wären Terrorismus und Unterdrückung schon morgen aus der Welt geschafft, sagte Afghanistans Präsident Hamid Karsai bei der Eröffnung einer dreitägigen Friedens-Dschirga in der Hauptstadt seines Landes: eine Ratsversammlung von Stammesfürsten der Paschtunen, Parlamentariern und islamischen Würdenträgern aus Afghanistan und Pakistan.

Die Versammlung soll die Eskalation von Terror und Gewalt stoppen. Vom Westen im Dezember 2001 voreilig für militärisch besiegt erklärt, verwickeln die Taliban Antiterroreinheiten und die Nato-geführte Schutztruppe Isaf, zu der auch fast 4000 Bundeswehr-Soldaten gehören, seit Monaten in schwere Kämpfe und sorgen mit Bombenanschlägen und Geiselnahmen für Schlagzeilen. Wiederaufbau und nationale Aussöhnung treten auf der Stelle, in Westeuropa mehren sich Stimmen, die ein Ende der Afghanistanmission fordern. Offizielle westliche Beobachter flüchteten sich daher schon im Vorfeld der Friedensversammlung in krampfhaften Optimismus und ließen sich nicht einmal beirren, als Pakistans Präsident Pervez Musharraf absagte und Premier Shaukat Aziz nach Kabul schickte. Etwa 60 pakistanische Stammesfürsten verzichteten ebenfalls auf ihre Teilnahme an der Versammlung.

Afghanische Beobachter hatten schon im Vorfeld der Dschirga vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Sie erklären den Quasiboykott durch Pakistan mit innenpolitischen Schwierigkeiten, vor allem jedoch als Protest Islamabads gegen Washingtons Politik in der Region.

Afghanistan, forderte Owais Ahmed Ghani, der Gouverneur der pakistanischen Nordwest-Provinz Belutschistan, jüngst bei einem Treffen mit führenden Kongressabgeordneten in Washington, brauche völlig „neue politische und soziale Strukturen“, in die auch die Taliban integriert werden müssten. Alle relevanten politischen Gruppen, „mit langem, kurzen oder ohne Bart“ müssten sich auf eine mehrheitsfähige Formel für die Gewaltenteilung einigen. Auch warnte er vor einer Gleichsetzung von Taliban und Al Qaida. Damit mache der Westen sich die Sache zu einfach. Beide Gruppierungen würden separat agieren und müssten daher auch separat behandelt werden. Washington sieht in den Taliban vor allem Terroristen, verdrängt oder ignoriert dabei jedoch, dass große Teile der Paschtunen in ihnen Vorkämpfer für die Wiederherstellung der nationalen Einheit sehen.

Umgekehrt wird in den USA Kritik an der Politik Afghanistans laut. Vertreter des US-Auslandsgeheimdienstes CIA warfen Karsai bei den Bemühungen um die Freilassung des deutschen BauingenieursRudolf B. und der 21 Südkoreaner aus der Geiselhaft der Taliban „Versagen“ vor. Durch die sich hinziehende Gefangenschaft in beiden Fällen gebe Karsai den radikalen Extremisten in Afghanistan die Möglichkeit, „auf Zeit zu spielen und so ihre neue Macht zu beweisen“, sagten die CIA-Experten der Nachrichtenagentur ddp. Und stellten die provokante Frage, „wie weit die afghanische Regierung in den Händen der Taliban ist“.

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