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Kabul

© AFP

Afghanistan-Einsatz: Dürftige Bilanz

In Afghanistan wurden viele Erwartungen nicht erfüllt – In Paris beraten die Regierungen nun über die Zukunft.

2007 war ein blutiges Jahr für Afghanistan. Mindestens 8000 Afghanen wurden bei Anschlägen und Gefechten getötet, mindestens 1500 von ihnen waren Zivilisten, schätzen die UN. Die Verluste bei den ausländischen Truppen waren ebenfalls hoch, mehr als 230 Soldaten starben im Einsatz. Und es sieht nicht so aus, als würde sich die Sicherheitslage in diesem Jahr verbessern. Trotzdem demonstriert ein neues Strategiepapier, das Afghanistans Regierung zusammen mit der Weltbank ausgearbeitet hat, Optimismus: Bis 2020, so steht es in der Afghanischen Nationalen Entwicklungsstrategie (ANDS), solle das Land „eine stabile islamische konstitutionelle Demokratie“ sein, „in Frieden mit sich und seinen Nachbarn“. Die ANDS wird diesen Donnerstag bei der großen Afghanistan-Konferenz in Paris verabschiedet.

Tatsächlich hat sich seit dem Sturz der Taliban Ende 2001 einiges gut entwickelt: Sechs Millionen Kinder, schätzt die Weltbank, konnten seit 2002 in Schulen zurückkehren. 85 Prozent der Afghanen haben laut UN heute Zugang zum Gesundheitssystem. Die neue afghanische Armee (Ana) wird international gelobt, über 50 000 Soldaten sind bereits ausgebildet. Inzwischen bestehen sie erfolgreich selbstständige Operationen gegen Kriminelle und Aufständische – ausländische Experten halten die Ana für die am meisten respektierte Institution im Land.

Andererseits räumt selbst UN-Vizegeneralsekretär Jean-Marie Guehenno ein, bisher seien „viele Erwartungen nicht erfüllt worden“. 70 Prozent der etwa 26,6 Millionen Afghanen sind von Hunger bedroht, nur 13 Prozent haben ausreichend sauberes Trinkwasser, nur sechs Prozent Strom. Der Mohnanbau erreicht neue Rekordniveaus, aus Afghanistan kommen heute 90 Prozent des weltweiten Heroin- und Opiumangebots.

Und in südlichen Provinzen wie Helmand und Kandahar wächst nicht nur Mohn, dort kämpfen die Taliban wieder ihren Krieg gegen die Nato-Soldaten der internationalen Schutztruppe Isaf. Einige Gebiete sind so gefährlich, dass die UN erst gar nicht mehr versuchen, ihre Helfer dort hinzuschicken. Doch wo kein Wiederaufbau stattfindet, steigt der Frust der Menschen und Radikale und Kriminelle haben leichtes Spiel.

Eines der größten Probleme aber sitzt in der Hauptstadt Kabul: Afghanistans schwache Regierung. Korruption und Missmanagement in den Ministerien sind weit verbreitet, Präsident Hamid Karsai, einst Hoffnungsträger des Westens, hat nur in einigen Provinzhauptstädten Einfluss. In den übrigen Landesteilen muss er sich mit Warlords engagieren – oder die Zentralmacht hat in bestimmten Gebieten gleich ganz vor den Taliban kapituliert. Die Ziele in der ANDS, innerhalb der kommenden fünf Jahre im Land Rechtsstaat und Demokratie zu sichern, die Armut zu reduzieren und die Wirtschaft rasch zu fördern, muten so fast abenteuerlich zuversichtlich an. Doch es mangelt an Alternativen.

Der UN-Sondergesandte Kai Eide wünschte sich bei einer Pressekonferenz Ende Mai in Kabul mit Blick auf Paris eine „Partnerschaft für und mit Afghanistan“, die „besser ist als diejenige, die wir bisher hatten“, und bessere Koordination aller Beteiligten. Die afghanische Regierung müsse mehr gegen Korruption tun, genauso aber müsse die internationale Gemeinschaft mehr Geld für bestimmte Schlüsselressorts wie die Landwirtschaft ausgeben. Ob dabei in Frankreich jedoch 50 Milliarden Dollar zusammenkommen, wie von Karsai ursprünglich gewünscht, ist fraglich. Nicht nur, dass die Summe weitaus höher wäre als diejenige, die die internationale Gemeinschaft bisher insgesamt für den Wiederaufbau zugesagt hat. Es bleiben auch Zweifel, ob Kabul den weiteren Fluss der Gelder zuverlässig kontrollieren könnte. Auf jeden Fall aber wird es am Donnerstag weitere Zusagen für die Afghanistanhilfe geben. Am Mittwoch kündigte Kanada an, seine Finanzhilfen aufzustocken und seinen Schwerpunkt auf Entwicklungshilfe anstatt auf Militäraktivitäten zu legen. Die Hilfen für den Zeitraum 2001 bis 2011 würden um ein Drittel auf umgerechnet 1,2 Milliarden Euro angehoben. Die Slowakei will ihre Truppenstärke von derzeit 57 auf 246 Soldaten aufstocken, und zwar Ende 2008 und Anfang 2009 in den Provinzen Kandahar und Urusgan.

In Afghanistan bereitet Hamid Karsai indes seine Wiederwahl als Präsident 2009 vor – und versuche dabei, berichtet der „Economist“, sich mehr und mehr der Unterstützung der Islamisten zu versichern. Die Regierung habe erst kürzlich privaten Fernsehstationen untersagt, populäre indische Seifenopern auszustrahlen – sie seien unmoralisch.

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