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Karsai

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Afghanistan: Karsai verschiebt Wahltermin und erntet Kritik

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat die Präsidentschaftswahl in Afghanistan überraschend um vier Monate vorverlegt. Die Entscheidung stößt im In- und Ausland auf Kritik. Die unabhängige Wahlkommission des Landes hält freie und gerechte Wahlen frühestens im August für möglich.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat mit seiner Entscheidung, die für August geplanten Wahlen auf den April vorzuverlegen, westliche Verbündete und seine Landsleute gleichermaßen überrascht. Karsai wies die Wahlkommission am Wochenende schriftlich an, "im Einklang mit der Verfassung" einen Termin für die Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen festzulegen. Darin heißt es: Das Amt des Staatspräsidenten endet am 22. Mai des fünften Jahres nach den Wahlen. Die Wahl des neuen Staatspräsidenten findet innerhalb von 30 bis 60 Tagen vor dem Ende der Amtszeit des amtierenden Staatspräsidenten statt.

Karsais Entscheidung entspricht also der Verfassung. Gleichwohl löste sie eine heftige Debatte aus, denn erst Ende Januar hatte die Wahlkommission den Wahltermin unter Verweis auf Sicherheitsprobleme und technische Schwierigkeiten auf den 20. August festgelegt - vier Monate später als festgeschrieben. Der Kompromiss, so heißt es in Kabul, sei Ende 2008 in Abstimmung mit allen afghanischen Beteiligten sowie der internationalen Gemeinschaft getroffen worden.

Umfragen: Karsai verliert Unterstützung

Doch nach Bekanntgabe des Wahltermins damals meldete die politische Opposition Einspruch an. "Die Entscheidung ist gegen die Verfassung und wird ein Machtvakuum schaffen", erklärte die Vereinte Nationale Front, ein Zusammenschluss mehrerer Parteien. Karsai habe keine Legitimität, Afghanistan nach dem in der Verfassung festgesetzten Datum zu regieren, hieß es. Daher müsse zwischen dem 22. Mai und den Wahlen im August eine Übergangsregierung das Land führen.

Karsai hatte indes gehofft, auch nach dem Ende seiner Amtszeit das Land weiter zu regieren und als amtierender Präsident den Wahlkampf zu eigenen Gunsten zu beeinflussen. Aufgrund der massiven Probleme im Land hat er inzwischen erheblich an Unterstützung verloren. Lagen die Zustimmungsraten vor vier Jahren noch bei über 80 Prozent, halten laut einer vor wenigen Wochen veröffentlichten Umfrage von ARD, dem US-Sender ABC und der britischen BBC inzwischen nur noch 52 Prozent der Afghanen die Arbeit des Staatschefs für "gut oder sehr gut".

Nun bleiben Karsai gerade einmal siebeneinhalb Wochen, um seine Wiederwahl zu sichern. Gleichzeitig hat er einer Verfassungsdebatte vorgebeugt und damit der Opposition viel Wind aus den Segeln genommen. Der Sprecher der Vereinten Nationalen Front, Sayed Fazel Sangcharaki, gab sich am Sonntag dennoch optimistisch: "Wir sind auf Wahlen im April sehr gut vorbereitet." Allerdings, so schränkte er ein, käme die Abstimmung für andere potenzielle Bewerber zu früh.

Vier Millionen neue Wähler

Auch der ehemalige afghanische Finanzminister und mögliche Gegenkandidat Karsais, Ashraf Ghani, äußerte sich kritisch. Aufgrund von Schneefall und schlechtem Wetter könnten Wahlhelfer im April einige Regionen des Landes nicht erreichen. "Dadurch werden viele Menschen ihres Wahlrechts beraubt", erklärte Ghani. Und das, obwohl die im Oktober vergangenen Jahres gestartete Registrierung von Neuwählern inzwischen erfolgreich und ohne größere Zwischenfälle abgeschlossen wurde. Abgesehen von wenigen Distrikten im schwer umkämpften Süden wurden landesweit mehr als vier Millionen Afghanen neu in die Wählerlisten aufgenommen - doppelt so viele wie erwartet. Insgesamt sind nun etwa 17 Millionen Afghanen als Wähler registriert.

Die Vereinigten Staaten, Afghanistans wichtigster Verbündeter, übten indirekt Kritik an der geplanten Verschiebung der Wahlen. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, Wahlen im August wären "das beste Mittel um sicherzustellen, dass jeder afghanische Bürger in der Lage ist, seine Wahl in einem sicheren Umfeld zu treffen".

US-Soldaten kommen im August

Kopfzerbrechen bereitet den USA vor allem die anspannte Sicherheitslage. Hinzu kommt, dass die von Präsident Barack Obama angekündigte Entsendung weiterer 17.000 US-Soldaten auf den Wahltermin im August abgestimmt ist. Auch Deutschland wollte erst im Sommer 600 zusätzliche Bundeswehr-Soldaten zur Absicherung der Wahlen an den Hindukusch schicken. Auch vor diesem Hintergrund ist unklar, ob eine freie und faire Abstimmung im April tatsächlich möglich ist.

Karsai habe alle Beteiligten, vor allem aber seine Gegner im Inland in eine "äußerst schwierige Lage" gebracht, resümiert der Analyst Waheed Muzhda. Denn selbst wenn die Wahlen aus organisatorischen Gründen doch erst im August stattfänden und Karsai bis dahin im Amt bliebe, könne ihm niemand mehr eine Bruch der Verfassung vorwerfen. Muzhda sieht in der Vorverlegung des Wahltermins daher vor allem ein Teil Karsaischer Machtpolitik.

Stefan Mentschel[dpa]

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