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Karsai

© dpa

Afghanistan: Karsai zwischen absoluter Mehrheit und Betrugsvorwürfen

Bei der zunehmend umstrittenen Präsidentschaftswahl in Afghanistan kommt Amtsinhaber Hamid Karsai nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen erstmals auf eine absolute Mehrheit. Allerdings wird seinem Lager vermehrt Wahlbetrug vorgeworfen.

Knapp drei Wochen nach der Wahl wies die von den Vereinten Nationen unterstützte Beschwerdekommission (ECC) am Dienstag die afghanische Wahlkommission (IEC) an, Stimmen aus betroffenen Wahllokalen zu überprüfen und erneut auszuzählen. Bevor die Vorwürfe nicht geklärt sind, darf kein amtliches Endergebnis verkündet werden. Damit steht bis dahin auch kein Gewinner fest.

Die IEC teilte mit, Präsident Karsai habe nach derzeitigem Stand 54,1 Prozent der Stimmen gewonnen. Sein wichtigster Herausforderer Abdullah Abdullah folge mit 28,3 Prozent. Die Stimmen aus 91,6 Prozent der Wahllokale seien inzwischen ausgezählt. Die Auszählung werde trotz der Anordnung der ECC bis zu einem vorläufigen Ergebnis fortgesetzt. Danach würden die von der ECC bemängelten Wahllokale überprüft.

Die Beschwerdekommission teilte mit, bei ihren Untersuchungen in drei Provinzen habe es "klare und überzeugende Beweise für Betrug" gegeben. In weiteren Provinzen plane die ECC Ermittlungen wegen Beschwerden über Wahlbetrug.

Die Betrugsvorwürfe richten sich in erster Linie gegen das Karsai- Lager. Auch Abdullah hat dem Präsidenten schwere Manipulationen vorgeworfen. Die Wahlkommission kündigte von sich aus an, Stimmen aus rund 600 der insgesamt 26.000 Wahllokale bei dem vorläufigen Ergebnis nicht zu berücksichtigen. Diese Stimmen seien "verdächtig" und zur Überprüfung an die Beschwerdekommission gegeben worden. Da maximal 600 Wähler für jedes Wahllokal berechnet worden waren, liegt die theoretische Gesamtzahl dieser umstrittenen Stimmen bei höchstens 360.000. Allerdings liegt Karsai in absoluten Zahlen rund 1,4 Millionen Stimmen vor Ex-Außenminister Abdullah.

Kopf-an-Kopf-Rennen?

Nach den neuesten Teilergebnissen konnte Karsai seinen Vorsprung um 23,8 Prozentpunkte ausbauen. Am Sonntag hatte Karsai noch mit nur knapp 17 Prozentpunkten vor Abdullah geführt. Erste Ergebnisse nach der Wahl vom 20. August hatten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hingedeutet. Sollte Karsai die absolute Mehrheit bei der Auszählung auch nach Klärung der Betrugsvorwürfe halten, wäre kein zweiter Wahlgang im Oktober notwendig. Ein amtliches Endergebnis war ursprünglich für Mitte September angekündigt worden. Der Termin gilt nun kaum noch als haltbar.

Angesichts der massiven Fälschungsvorwürfe drängen die USA und die Vereinten Nationen Karsai nach Medienberichten zu einer gründlichen Überprüfung der Wahl. Wie der US-Sender CNN unter Berufung auf Mitarbeiter des US-Außenministeriums berichtete, trafen der amerikanische Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, und UN-Vertreter am Montagabend mit Karsai zusammen. Dabei hätten sie ihn aufgefordert, der Wahlkommission eine eingehende Überprüfung der Vorwürfe zu gestatten. Erst danach könne geklärt werden, ob ein zweiter Wahlgang nötig ist.

Ein namentlich nicht genannter Vertreter des Außenministeriums in Washington sprach von einem "Schuss vor den Bug der afghanischen Regierung". Damit solle sichergestellt werden, dass die Wahlkommission ihrer Aufgabe ungehindert nachgehen könne. Botschafter Eikenberry habe nach dem Treffen mit Karsai US-Außenministerin Hillary Clinton Bericht erstattet, hieß es weiter.

Der UN-Sondergesandte Kai Eide rief ECC und IEC am Dienstag dazu auf, ihre Anstrengungen auf allen Ebenen zu verstärken, um die Integrität der Wahl zu sichern. "Das beinhaltet, Ergebnisse von Wahlurnen aus den vorläufigen Zählungen herauszuhalten, bei denen es Beweise über Unregelmäßigkeiten gibt."

Am Montag hatte die "New York Times" unter Berufung auf Diplomaten von massiven Betrugsvorwürfen gegen Karsai-Anhänger berichtet. So sollen bei der Abstimmung bis zu 800 "Phantom- Wahllokale" eingerichtet worden sein, aus denen tausende Stimmen für Karsai registriert wurden. Auch die stellvertretende Leiterin der EU- Wahlbeobachtermission in Afghanistan, Dimitra Ioannou, sprach im "Tagesspiegel" von "Wahlbetrug im großen Stil".

Seit dem Wahltag erhielt die ECC nach eigenen Angaben 2375 Beschwerden. 726 davon wurden als "Kategorie A" eingestuft und könnten den Wahlausgang beeinflussen. (sba/dpa)

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