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Unverändert. Afghanistans Präsident Karsai kam wie immer traditionell gekleidet. Kritik an seiner Amtsführung wurde nicht geübt – offiziell jedenfalls nicht. Foto: Johannes Eisele/AFP

© AFP

Afghanistan-Konferenz: Karsai fordert langfristiges Engagement des Westens

Auf der Afghanistan-Konferenz in Bonn wurde vor allem über Fortschritte in dem Land am Hindukusch gesprochen. Über die Taliban und andere Probleme dagegen kaum.

Über mangelnde Unterstützung kann sich Hamid Karsai wahrlich nicht beklagen. Nicht weniger als 83 Staaten waren am Montag in Bonn vertreten, als es um die künftige Hilfe für den Wiederaufbau seines Landes ging. Von Albanien bis Vietnam reichte die Teilnehmerliste. Und jede Regierung hatte etwas zur Zukunft Afghanistans zu sagen. Die meisten konzentrierten sich auf die erreichten Fortschritte und versprachen, auch nach dem für Ende 2014 geplanten Abzug der Nato vom Hindukusch engagiert zu bleiben. Und Hamid Karsai, der afghanische Präsident, nahm die Solidaritätsbezeugungen freundlich lächelnd entgegen. Gemeinsam mit seinem Außenminister und dem deutschen Gastgeber Guido Westerwelle (FDP) führte er den Vorsitz der Konferenz, die auf den Tag genau zehn Jahre nach der afghanischen Friedenskonferenz auf dem Bonner Petersberg stattfand. Damals, nach dem Sturz des Talibanregimes, ging es darum, die politische Macht so zu verteilen, dass nach mehr als 30 Jahren Bürgerkrieg endlich Stabilität einkehrt in Afghanistan. Diesmal, wie der Frieden bewahrt werden kann, wenn die Afghanen wieder selbst für die Sicherheit verantwortlich sind.

Von „gegenseitiger Verantwortung“ war da die Rede, von Herausforderungen und gutem Willen. Sogar Irans Außenminister, Ali Akbar Salehi, blieb diplomatisch, obwohl Teheran gerade erst eine amerikanische Drohne über seinem Territorium abgeschossen hat, die aus Afghanistan kam. Salehi kritisierte zwar die Absicht „mancher“ Nato-Staaten, auch nach 2014 Militärbasen in Afghanistan zu behalten. Er verzichtete aber darauf, die USA, die gemeint waren, direkt anzugreifen. Damit unterschied sich sein Beitrag auffallend von der aggressiven anti-amerikanischen Rhetorik von Präsident Mahmud Ahmadinedschad. „Die Sicherheitslage in Afghanistan ist für den Iran von entscheidender Bedeutung, deshalb werden wir auch in Zukunft eine aktive Rolle im internationalen Prozess zur Stabilisierung Afghanistans spielen“, sagte der Minister. Und viel spricht dafür, dass er es ehrlich meint. Ein neuer Bürgerkrieg im Nachbarland könnte neue Flüchtlingsströme in den Iran zur Folge haben, und schon jetzt leidet das Land unter dem nach wie vor blühenden afghanischen Drogenhandel. Ein großer Teil des in Afghanistan produzierten Opiums landet bei Konsumenten im Iran. Deren Zahl wird immer größer.

Ebenso wichtig wie die konstruktive Haltung des Iran ist jedoch die Mitarbeit Pakistans. Der Stuhl des östlichen Nachbarn Afghanistans blieb in Bonn allerdings leer. Nachdem US-Truppen einen pakistanischen Grenzposten angegriffen hatten, sagte Islamabad seine Teilnahme ab. Auch eine Entschuldigung der USA änderte daran nichts. Ohne Pakistan und ohne die zum Teil von dort aus operierenden Taliban wird es aber keinen dauerhaften Frieden in Afghanistan geben. Darüber sind sich alle Beteiligten einig. In Bonn wurden die Taliban so gut wie gar nicht erwähnt – und auch viele der anderen Probleme, die den Wiederaufbau behindern. Die Korruption etwa oder die mafiösen Machtstrukturen.

Es war der Tag der Diplomatie. Und so war im ehemaligen Plenarsaal des Bundestags auch keine Kritik an Karsai zu hören, obwohl der Mann, der sich nur dank gefälschter Wahlen und zweifelhafter Bündnisse mit ehemaligen Kriegsherren an der Macht behaupten konnte, längst als diskreditiert gilt. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte zu seiner Zukunft lediglich: „Präsident Karsai hat für 2014 faire Wahlen versprochen.“ Mit anderen Worten: Auch Afghanistans Führungsproblem wird erst einmal verschoben.

Wie es konkret nach dem Abzug der internationalen Truppen in Afghanistan weitergehen soll, wurde eher am Rande der Veranstaltung deutlich. Karsai erklärte, sein Land werde wohl noch zehn Jahre auf Hilfe angewiesen sein. In einem Interview forderte er die Nato-Staaten zudem auf, seinem Land nach 2014 einen Teil jenes Geldes zu überlassen, das sie durch den Abzug einsparen. Fünf Prozent der bisherigen Militärausgaben für Afghanistan hält er für angemessen. „Ich nenne das die Dividende, die bei der Übergabe von den Isaf-Truppen an die Afghanen fällig wird“, sagte er dem „Spiegel“.

Finanzieren will Karsai damit vor allem die eigenen Sicherheitskräfte, die bis 2014 auf mehr als 400 000 Soldaten und Polizisten aufgestockt werden sollen. Allein die Gehälter, so schätzt das „Afghan Analyst Network“, dürften dann bis zu sechs Milliarden Euro verschlingen. Es liegt auf der Hand, dass ein Staat mit derzeit nur rund 1,3 Milliarden Euro Staatseinnahmen, dies allein nicht schultern kann. Deutschland, das jährlich rund eine Milliarde Euro für den Bundeswehreinsatz am Hindukusch ausgibt, wäre nach der Karsai’schen Formel mit rund 50 Millionen Euro in der Pflicht – zusätzlich zu den 430 Millionen Euro, die bisher pro Jahr für den Wiederaufbau gezahlt werden. Seit 2010 steht die Hilfe zwar unter Vorbehalt, denn sie ist nun an eine gute Regierungsführung geknüpft, gezahlt wurde aber auch in diesem Jahr – weil die afghanische Regierung Reformfortschritte darlegen konnte, wie das Bundesentwicklungsministerium auf Anfrage mitteilte. Konkret gab man sich mit der Einrichtung eines Überwachungskomitees für Korruptionsbekämpfung und der Vorlage eines Gesetzentwurfs zu Anpassung der afghanischen Gesetze an die UN-Konvention gegen Korruption zufrieden. Von wahrhaftigen Ermittlungen gegen korrupte Staatsdiener hat man indes bisher wenig gehört.

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