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Afghanistan: Krieg - Das unaussprechliche Wort

Lange wollte es niemand sagen, inzwischen ist klar: Deutschland befindet sich in einem Krieg. Schon 52 Soldaten starben.

Von Michael Schmidt

Berlin - Am Anfang stand das Kanzler-Wort, seither viel zitiert: „Uneingeschränkte Solidarität“, versprach Gerhard Schröder (SPD) den USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Das war keine Liebeserklärung an US-Präsident George W. Bush, entsprach aber einem weit verbreiteten Gefühl – zumal sich herausstellte, dass Deutschland besonders involviert war: Drei der Attentäter hatten zuvor unbehelligt in Hamburg gelebt.

Deutschlands politischer Beitrag bestand zunächst in einer Konferenz auf dem Bonner Petersberg, wo mit den Repräsentanten des Landes ein Plan für die weitere politische Entwicklung in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beschlossen wurde. Teil des Plans war es, den UN-Sicherheitsrat zu ersuchen, eine Internationale Schutztruppe zu autorisieren. Bis dahin hätte sich hierzulande kaum jemand vorstellen können, dass einmal massive Bundeswehrkontingente über Jahre in Afghanistan oder am Horn von Afrika stationiert würden. Nach 9/11 aber wurde Deutschland und Deutschlands Freiheit „auch am Hindukusch verteidigt“. So jedenfalls begründete der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die Beteiligung der Bundeswehr an dem Einsatz der internationalen Schutztruppe Isaf ab 2002.

Insgesamt wurden seitdem neben einigen Hundert Polizeiausbildern mehr als 100 000 deutsche Soldaten nach Afghanistan geschickt, darunter auch ein etwa 100 Mann starkes Spezialkräftekommando der KSK. Anfangs wurden kaum mehr als einige Hundert Soldaten entsandt, derzeit sind es rund 5000, mit inzwischen deutlich erweitertem Mandat: Deutschland trägt die Verantwortung im Regionalkommando Nord, soll mit seinen Verbündeten für Sicherheit sorgen, in einem Teil Afghanistans, der halb so groß ist wie die Bundesrepublik. Zum Vergleich: In Deutschland werden allein 15 000 Polizisten abgestellt, wenn es gilt, einen Castor-Transport an sein Ziel zu begleiten.

Deutschland ist damit nach den USA und Großbritannien der drittgrößte Truppensteller. 52 deutsche Soldaten verloren in den vergangenen zehn Jahren in Afghanistan ihr Leben, 34 davon in Gefechten oder durch Anschläge.

Das Wort „Krieg“ war dennoch lange verpönt. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sprach auch dann noch vom „Stabilisierungseinsatz“, als es mit der Stabilität für alle sichtbar schon nicht mehr weit her war. Nach 2006 erstarkten die Aufständischen deutlich, und auch die Bundeswehr im Norden wurde zunehmend zum Ziel von Hinterhalten und Sprengfallen.

Als in der Nacht zum 4. September 2009 US-Kampfflugzeuge auf deutschen Befehl hin zwei von Taliban entführte Tanklaster bombardierten und dabei bis zu 142 Menschen ums Leben kamen, blieb Jung nicht nur der Öffentlichkeit viele Informationen schuldig, sondern auch Angela Merkel. Mitarbeiter des Bundeskanzleramts beschwerten sich über die „lückenhafte Informationspolitik“. Jung musste gehen.

Sein Nachfolger, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), war dann der Erste, der das K-Wort in den Mund nahm. Und im März 2010 stellte die Bundesanwaltschaft im Rahmen der rechtlichen Aufarbeitung des Luftangriffs klar, dass die Bundeswehr in Afghanistan Partei eines „nicht-internationalen bewaffneten Konflikts“ – also eines Bürgerkriegs – sei. Karl-Theodor zu Guttenberg war es auch, der unter anderem mit Blick auf die Entwicklungen am Hindukusch den Anstoß gab zur Abschaffung der Wehrpflicht und den Wandel der Bundeswehr zu einer Freiwilligen- und Berufsarmee im weltweiten Einsatz.

Während der Bundestag mit Ausnahme der Linkspartei in großen Teilen hinter dem Afghanistan-Einsatz steht, ist die deutsche Bevölkerung skeptisch. Zwei Drittel glauben einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge nicht mehr an einen Erfolg der Mission. 42 Prozent meinen: Schluss mit allen Auslandseinsätzen. Trotzdem ist eine knappe Mehrheit von 50,4 Prozent dafür, dass die deutschen Soldaten Afghanistan erst verlassen, wenn sie ihre Mission erfüllt haben.

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