zum Hauptinhalt
Am Mittwoch haben die Staats- und Regierungschefs einiger Dutzend afrikanischer Länder eine Freihandelszone zwischen Kairo und Kapstadt gegründet.

© Reuters

Afrika beim G-7-Gipfel: Afrika im Umbruch

Afrika ist nicht mehr das Armenhaus der Welt. Es wird Zeit, den Nachbarkontinent differenzierter zu betrachten, sagt der Chef des Afrikavereins in einem Gastkommentar.

Hunger und Armut, Despotismus und Gewalt! Jahrzehntelang wurde Afrika gerade in Deutschland gleichgesetzt mit Kriegen und Katastrophen. Dieses Bild bedarf einer grundlegenden Revision. Afrika ist im Umbruch und die Wirtschaft in vielen Ländern brummt. Sechs der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften sind in Afrika. 2010 wurde das zuvor von Bürgerkrieg und Völkermord gebeutelte Ruanda von der Weltbank zum Reformland des Jahres ernannt, 2012 ging der Titel an Marokko. Höchste Zeit also für eine neue Sicht auf unseren Nachbarkontinent.

Das hat auch die Bundesregierung durchaus erkannt und nutzt ihre G-7-Präsidentschaft, um erneut einen Fokus auf den afrikanischen Kontinent zu lenken und den Dialog mit unseren afrikanischen Nachbarn und Partnern zu intensivieren. Es zeigt sich: Deutschland und die großen Industrienationen befinden sich in einem Prozess der Neudefinition der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Afrika. Und dies ist dringend notwendig.

Die Mittelschicht wächst

Afrikas Bevölkerung wächst rasant. 15 Prozent der Menschheit lebt bereits heute in Afrika. UN-Prognosen zufolge sollen es im Jahr 2050 sogar 25 Prozent sein. Aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in vielen Ländern wächst auch die afrikanische Mittelschicht. Die sich daraus ergebenden Chancen und Möglichkeiten müssen erkannt und genutzt werden. Wollen wir den Aufschwung Afrikas tatsächlich mitgestalten und daran teilhaben? Dann dürfen wir nicht länger alimentieren, sondern müssen auf die wachsende Industrialisierung und den Trend zur Diversifizierung der afrikanischen Volkswirtschaften  eingehen.

Afrika braucht eine Industrialisierung

Es reicht heute nicht mehr, so wie 2007 in Heiligendamm beschlossen, 60 Milliarden Dollar zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose zu vereinbaren. Es muss darum gehen, den Weg selbst tragenden wirtschaftlichen Strukturen zu ebnen. Nur wenn auf dem Kontinent lokale Industrien aufgebaut werden, können für die dynamisch wachsenden Bevölkerungen vor Ort Perspektiven geschaffen werden. Das gemeinsame Ziel von Politik und Wirtschaft kann nur eine möglichst effiziente Entwicklungszusammenarbeit sein, die den weiteren Weg der Kooperationsländer in Richtung eines wachsenden Wohlstands und ökonomischer Selbstständigkeit fördert.

Weg von der Geber-Nehmer-Logik

Dringend erforderlich ist dazu eine Veränderung des entwicklungspolitischen Duktus. Denn so lange die öffentliche Diskussion hinsichtlich des Kontinents geprägt ist von problemorientierter Kommunikation und einer Geber-Nehmer-Logik, so lange wird sich auch das Afrikabild in unseren Köpfen nicht ändern. Dabei werden positive Entwicklungen der letzten Dekaden ausgeblendet, die zum Beispiel dazu geführt haben, dass mittlerweile die Hälfte der afrikanischen Länder so genannte »Middle-Income Countries« sind. Damit gehören sie in die gleiche Kategorie wie zum Beispiel die Ukraine, Indonesien oder Indien.

Afrika ist nicht ein Land

Die 54 Länder Afrikas müssen viel differenzierter betrachtet und dargestellt werden. Wer Afrika ausschließlich als Armenhaus darstellt, hauptsächlich von Elend und Hunger spricht, der verhindert, dass Unternehmen Investitionen dorthin tragen.

Ebenso dringend ist es, Außenpolitik, Außenwirtschaftspolitik und Entwicklungszusammenarbeit aus einem Guss zu konzipieren und viel stärker auf die Flankierung von Engagements von Unternehmen in Afrika auszurichten. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Risikoabsicherung, sei es durch Hermesbürgschaften, sei es durch Absicherung der Risiken der Projektentwicklung oder sei es durch die verstärkte Nutzung der spezifischen Stärken deutscher Firmen für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit.

Der Autor ist Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.

Stefan Liebing

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false