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Krümmel

© dpa

AKW-Störfälle: Immer wieder Krümmel

Die Pannenserie in dem Atomkraftwerk wird für den Energieversorger Vattenfall zunehmend zum Problem.

Der Energiekonzern Vattenfall gerät nach der Pannenserie im Kernkraftwerk Krümmel vonseiten der Politik, aber auch von seinen Partnerunternehmen immer heftiger unter Druck. Eigene Versäumnisse hatte der Energieversorger bereits am Sonntag auf einer Pressekonferenz zugegeben. Inzwischen summieren sich die Pannen – auch die betriebsinternen.

So hat Vattenfall-Europe-Chef Tuomo Hatakka die Nachricht über die Schnellabschaltung des Reaktors nicht aus dem eigenen Unternehmen erhalten, sondern über ein Telefonat mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Das bestätigte die Staatskanzlei auf Nachfrage. Der Konzernchef wurde am Dienstag durch den Regierungschef zu einem Gespräch nach Kiel einbestellt. In diesem Zusammenhang sagte ein verärgerter Carstensen („Ich bin stinksauer“), er räume Vattenfall einen „letzten Versuch“ ein. Die Unterredung dauerte gerade einmal 20 Minuten. Auch Schleswig-Holsteins CDU-Fraktionschef Johann Wadephul ging auf Distanz zu Vattenfall. „Das Verhalten des Betreibers ist ein Skandal. Vattenfall diskreditiert damit die friedliche Nutzung der Kernenergie“, sagte Wadephul.

Auch im Düsseldorfer Eon-Konzern ist man fassungslos über die erneuten Pannen und das Krisenmanagement des Betreibers Vattenfall. Es sei kaum nachvollziehbar, dass es nach dem Transformatorbrand vor zwei Jahren beim Wiederanfahren des Reaktors jetzt wieder Probleme mit den Transformatoren gegeben habe und dass seitens des Betreibers dann auch noch der Einbau einer für die Funktionsüberwachung dieser Aggregate vorgesehenen Messeinrichtung versäumt worden sei, erfuhr der Tagesspiegel aus Unternehmenskreisen. Das Image der gesamten Branche sei damit beeinträchtigt und die aktuelle Diskussion über eine eventuelle Verlängerung der Reaktorlaufzeiten in Deutschland unnötig belastet worden.

Wie ein Unternehmenssprecher bestätigte, führe Eon derzeit „auf allen Ebenen, auch auf der Top-Ebene“ über die jüngsten Vorfälle „ernste und intensive Gespräche“ mit Vattenfall. Der Düsseldorfer Konzern ist am Kernkraftwerk Krümmel mit 50 Prozent beteiligt . Am zweiten deutschen Vattenfall-Meiler, dem Kernkraftwerk Brunsbüttel, hält Eon 33,3 Prozent der Anteile. Auch dieser Reaktor ist seit geraumer Zeit wegen umfangreicher Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten nicht am Netz.

Die Verantwortung für das aktuelle Krümmel-Debakel liegt aus Sicht der Energiebranche eindeutig in der schwedischen Vattenfall-Zentrale. Hier nämlich hatte Konzernchef Lars Joseffson Ende vergangenen Jahres alle Nuklear-Kompetenzen des Konzerns, der in Deutschland und Schweden insgesamt neun Kernkraftwerke betreibt, gebündelt. Insoweit müsse sich Joseffson jetzt auch die Managerversäumnisse vor Ort zurechnen lassen. Offen ist, ob sich der Vattenfall- Chef angesichts der erneuten Turbulenzen um das Kernkraftengagement des Konzerns noch lange an der Unternehmensspitze halten kann. Erst vor wenigen Wochen hatte die schwedische Regierung, die gerade den EU-Ratsvorsitz übernommen hat und in dieser Funktion vor allem die Ende des Jahres anstehende Klimakonferenz in Dänemark zum Erfolg führen will, den kohlepolitischen Kurs des Unternehmens als „Belastung“ kritisiert. Vattenfall gehört zu 100 Prozent dem schwedischen Staat, entsprechend groß ist der Einfluss der Regierung auf die grundsätzliche Unternehmenspolitik.

Vattenfall trennte sich unterdessen von seinem bisherigen Werksleiter Hans-Dieter Lucht. Dieser hatte kurz vor dem Wiederanfahren Krümmels Mitte Juni in einem Brief an alle Haushalte Geesthachts (Krümmel ist dort Ortsteil) versprochen: „Wir haben Organisation, Administration und Kommunikation optimiert.“ Weitere personelle Konsequenzen stehen im Raum. Vattenfall kündigte zudem an, die beiden Transformatoren von Krümmel durch Neuanschaffungen zu ersetzen. Allein dadurch wird der Reaktor mindestens bis zum Frühjahr 2010 stillstehen. Für jede der tonnenschweren Apparaturen muss der Konzern mindestens acht Millionen Euro investieren.

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