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Politik: AKW Temelin: Prag startet das Atomkraftwerk trotz heftiger Proteste. Greenpeace sieht Sicherheitmängel nur notdürftig überbrückt

Nach 17 Jahren Bauzeit rückt in dem umstrittenen südböhmischen Atomkraftwerk Temelin die Stunde der Wahrheit näher: Demnächst wird sich herausstellen, ob die dort vorgenommene Vermählung der alten sowjetischen Konstruktionstechnik mit der nachträglich hinzugezogenen amerikanischen Spitzentechnologie (Überwachungssystem von Westinghouse) geglückt ist oder nicht. Die tschechische Atomsicherheitsbehörde (SUJB) hatte am Mittwoch grünes Licht für die Bestückung des ersten Reaktors in dem Akw nördlich der österreichischen Grenze gegeben.

Nach 17 Jahren Bauzeit rückt in dem umstrittenen südböhmischen Atomkraftwerk Temelin die Stunde der Wahrheit näher: Demnächst wird sich herausstellen, ob die dort vorgenommene Vermählung der alten sowjetischen Konstruktionstechnik mit der nachträglich hinzugezogenen amerikanischen Spitzentechnologie (Überwachungssystem von Westinghouse) geglückt ist oder nicht. Die tschechische Atomsicherheitsbehörde (SUJB) hatte am Mittwoch grünes Licht für die Bestückung des ersten Reaktors in dem Akw nördlich der österreichischen Grenze gegeben. Ein Akw-Sprecher teilte mit, die Brennelemente könnten nach einer kurzen technischen Vorbereitung unverzüglich installiert werden. Es werde rund zwei Wochen dauern, bis der Reaktor bestückt sei. In den 40 Tagen danach werde die Kernspaltung ausgelöst.

Harsche Kritik Trittins

Aus Deutschland und Österreich kam umgehend heftige Kritik. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte, die kurzfristige Erteilung der Genehmigung sei "gegen deutsche Sicherheitsinteressen gerichtet". Mit der Entscheidung der SUJB bestehe "entgegen allen Gesprächen" jetzt keine Chance, sich durch eine unabhängige Analyse vom tatsächlichen Sicherheitszustand des Atomkraftwerks zu überzeugen. "Leider hat die tschechische Regierung die in unzähligen Gesprächen zugesicherte Kooperation nicht in die Tat umgesetzt", hieß es in einer Erklärung Trittins. Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel forderte den tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman auf, die Inbetriebnahme des Atommeilers so lange zu verschieben, bis alle Sicherheits- und Umweltschutzfragen geklärt seien. Die Umweltminister von Österreich und Tschechiens sollten unverzüglich Gespräche aufnehmen, forderte Schüssel.

Am Montag hatten bereits Vertreter von Greenpeace in Prag ernsthafte Bedenken geäußert. Das von diesen veröffentlichte Temelin-interne Material lässt in der Tat den Schluss zu, dass man dort unter Termindruck etliche Sicherheitsvorkehrungen auf die leichte Schulter genommen hat. Die Aufsichtsbehörde SUJB, die als unabhängiges Organ alle Kontrollen streng überwachen soll, gab sich laut Greenpeace mit provisorischen Lösungen zufrieden, um die Fertigstellung des ersten Blocks nicht zu gefährden. So konnten etwa nicht alle vorgeschriebenen Kontrollmaßnahmen an dem für Notfälle vorgesehenen Kühlsystem des Mantels vorgenommen werden, da dort bereits teuere US-Elektronik montiert war. Auch der Brennstoffwagen weist angeblich Mängel auf, die zunächst nur durch Übergangslösungen überbrückt werden sollen.

Der SUJB-Sprecher Pavel Pittermann bestritt die Vorwürfe und betonte, die von Greenpeace vorgelegten Dokumente aus Temelin seien veraltet. Indirekt bestätigte er aber die von Greenpeace genannten Mängel aber doch - zumindest zum Teil: "Das Notkühlsystem am ersten Block ist identisch mit dem des zweiten Blocks, wo die praktische Prüfung durchgeführt wurde." Da der Betreiber CEZ (Tschechische Energiewerke) die gesamte Kontrolldokumentation zum Betriebsgeheimnis erklärte, rief Greenpeace die Prager Regierung auf, im öffentlichen Interesse die Karten auf den Tisch zu legen.

Hastige Vorbereitungen

Die hastigen Vorbereitungen der Inbetriebnahme von Temelin werden in Tschechien mit der bevorstehenden Privatisierung von CEZ in Verbindung gebracht. Die 2000 Kern-Megawatt, die von 2001 an Temelin ins Netz liefern soll, dürften den Verkaufswert des zurzeit noch zu 60 Prozent staatlichen Energieunternehmens steigern. Tschechische Umweltschützer vermuten jedoch, dass die positive Bilanz dieses Stromherstellers (bisher Monopolist) auf Kosten der heimischen Verbraucher erzielt wurde. Der Verdacht, dass die CEZ den in Tschechien erzeugten Strom im Ausland, darunter auch in Deutschland, billiger verkaufen als zu Hause, wurde bisher nicht ausgeräumt. Klar ist hingegen, dass Tschechiens Volkswirtschaft die zusätzlichen Kern-Megawatt aus Temelin, dessen Bau bislang umgerechnet rund 4,5 Milliarden Mark verschlang, nicht brauchen wird. Die Folgekosten werden aber Probleme bereiten, weil die inzwischen entschwefelten Kohlekraftwerke im von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Norden wohl demnächst stillgelegt werden müssten.

Ludmila Rakusan

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