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Sawahiri

© AFP

Al Qaida: Terror in Nordafrika – Gefahr für Europa

In Nordafrika hat sich laut Experten die Terrororganisation Al Qaida eingenistet. Sie nutzt die Sahara als Rückzugsraum und bildet dort verstärkt Kämpfer aus. Insbesondere für Frankreich wird das offenbar zu einer Bedrohung.

Berlin - Der Attentäter kam am Morgen des 8. September mit einem Gemüselaster zur Kaserne in der algerischen Hafenstadt Dellys. Das Fahrzeug detonierte zwischen Soldaten und Zivilisten. Mindestens 30 Menschen wurden getötet, mehr als 100 verletzt. Das Entsetzen über den Anschlag nahm noch zu, als algerische Zeitungen die Selbstbezichtigung von Al Qaida veröffentlichten – die Terrororganisation hatte einen 15-jährigen Schüler für den Angriff geopfert. Er trug den Kampfnamen „Abu Mussab al Sarkawi“. So hatte sich auch der Al-Qaida-Chef im Irak genannt, den die Amerikaner im Juni 2006 mit einem Luftschlag töteten.

Was in Dellys geschah, verknüpft für deutsche Sicherheitskreise auf makabere Weise die Symptome der Terrorgefahr – die sich ändert. In Nordafrika nehme sie zu, doch der dort von militanten Islamisten als Vorbild angesehene Al-Qaida-Ableger im Irak sei in die Defensive geraten, beobachten Experten. Die Zahl der Anschläge von Al Qaida sei um ungefähr 50 Prozent gesunken.

Die Entwicklung in Algerien und den Nachbarstaaten bereite inzwischen nicht weniger Sorgen als das Treiben der Al Qaida „in ihrem klassischen Kampffeld Irak“, sagt ein Fachmann. Der Terror in Nordafrika bedrohe auch Europa, vor allem Spanien, Frankreich und Italien.

Im September 2006, zum fünften Jahrestag der Anschläge in den USA, verkündete der Al-Qaida-Vizechef Aiman al Sawahiri den Zusammenschluss mit der algerischen Terrorvereinigung GSPC („Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“). Anfang 2007 benannte sich die GSPC um in „Al Qaida im islamischen Maghreb“. Der neue Name steht für eine geänderte Strategie: Die GSPC will nicht mehr nur Algerien destabilisieren, sondern weite Teile Nordafrikas. Und der „Markenname“ Al Qaida tut seine Wirkung: Dschihadisten (Heilige Krieger) aus Marokko, Mauretanien und Tunesien mischen jetzt mit. Anfang November gab Sawahiri per Tonband bekannt, auch die „Libysche Islamische Kampfgruppe“ sei dem Bündnis „Al Qaida im islamischen Maghreb“ beigetreten. Es folgten Drohungen gegen die USA, Frankreich und Spanien.

Außerdem beobachten Experten, dass in den kaum kontrollierbaren Rückzugsräumen der Terrorallianz in der Sahara die Ausbildung von Kämpfern verstärkt wird. Und: Typische Al-Qaida-Methoden wie parallele Anschläge mit Selbstmordattentätern würden zunehmend in Nordafrika angewandt. Der Angriff in Dellys passt in dieses Muster: Knapp zwei Tage zuvor hatte in der algerischen Stadt Batna ein Attentäter sich und 22 Opfer in die Luft gesprengt.

Frankreich ist in besonderem Maße gefährdet, da mit dem Zustrom von Migranten mehrheitlich algerischer Herkunft das Risiko der Infiltration durch militante Islamisten wächst. Dasselbe gilt für Spanien und die Zuwanderung aus Marokko. Im Falle Italiens sind es vor allem Migranten aus Tunesien, unter die sich Terroristen mischen könnten. Deutschland scheint weniger betroffen, doch der Fall Redouane E. H. ist eine Warnung. Der Deutschmarokkaner steht in Schleswig vor Gericht, weil er via Internet Kämpfer aus Marokko und Ägypten zu Al Qaida im Irak transferiert haben soll.

Dort hingegen scheint die Terrororganisation mehr und mehr unter Druck zu geraten. Es sei den Amerikanern gelungen, einige Stämme und Clans zur Kooperation zu bewegen, sagen Sicherheitsexperten. Al Qaida sei unbeliebt, weil die Anschläge viele Opfer auch unter sunnitischen und schiitischen Muslimen fordern. Der einst von Sarkawi initiierte Kampf gegen die Schiiten sei selbst bei Al Qaida umstritten. Außerdem habe es die Organisation versäumt, sich mit dem sunnitischen Klerus zu verständigen.

Die Schwäche im Irak könne Al Qaida durch den Aufbruch in Nordafrika kompensieren, sagen Experten – und durch den im Bündnis mit den Taliban gelungene Aufbau einer sicheren Basis in den „tribal areas“ im Nordwesten Pakistans.

Frank Janssen

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