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Entspannung. Angela Merkel und Alexis Tsipras.

© dpa

Alexis Tsipras bei der Bundeskanzlerin: Angela Merkel führt wie eine gute Schäferin

Steuerte die Kanzlerin jetzt um, würde sie ihre Politik der vergangenen Jahre dementieren, sie würde die und sich selbst diskreditieren. Deshalb werden weitere Milliarden Euro für die Griechen lockergemacht werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das ist die Politik, die sie mag. Und die sie kann wie keine Zweite. Von hinten führen, wie ein gute Schäferin die Herde. So sagte es mal Christian Wulff mit Blick auf das Verhalten von Angela Merkel. Ein schönes Bild. Und jetzt war es wieder zu besichtigen, als Alexis Tsipras, das rote Schaf der Europäischen Union, zu Gast in Berlin war.

Merkel hat ihn so freundlich empfangen, dass man meinen konnte, es sei nichts gewesen, nichts zwischen Deutschen und Griechen, nichts zwischen den Institutionen in Brüssel und Athen. Eh dass jetzt alle sagen: Wie kann das sein – nein, richtig ist zu sagen: So muss das sein. Wenn Europa mehr als ein Politkonstrukt, sondern eine Art Familie sein soll. In der Familie kann man sich streiten, kann man sich auch, weil man einander gut kennt, ein bisschen erpressen, ein bisschen. Aber dann steht man wieder zusammen, ist zusammen, isst zusammen. Wie gerade in Berlin. Das ist das Signal von Berlin.

Wie es wirkt: nach allen Richtungen. Unter allen Umständen. Merkel signalisiert den Griechen: Seht her, ich bin gar nicht so schlimm. Sie signalisiert den Deutschen: Seht her, es steht gar nicht so schlimm. Und den Bundestagsabgeordneten, nicht zuletzt aus ihrer Partei: Es wird nicht ganz so schlimm. Weil es sie gibt, die Abgeordneten. Und sie, Merkel. Die Kanzlerin musste auf Distanz bleiben zu allen möglichen affektiv aufgeladenen Haufen und Verrücktheiten, hierzulande und andernorts. Nicht um sich rauszuziehen aus allem, sich rauszuhalten aus dem ernsten Geschehen, das geht beides schon längst nicht mehr. Sondern um sich Handlungsspielraum zu erhalten.

Sie ist die längstdienende Regierungschefin in Europa

Mach dich klein, wenn du groß bist, du wirst schon nicht übersehen. Das ist eine Maxime, wie für die Bundeskanzlerin geschaffen. Sie ist die längstdienende Regierungschefin in Europa. Sie führt die wirtschaftlich stärkste Macht in Europa. Sie ist die Nummer 1 in Europa. Da ist es politisch klug, sich als eine von vielen zu präsentieren. Daher kommt Merkels Verweis auf die Euro-Gruppe, deshalb ihr Hinweis darauf, dass sie ja nichts allein zu entscheiden habe. Das ist richtig, formal, aber keiner wird sie übersehen oder überhören, nicht in diesem und in keinem anderen Fall.

So nimmt Deutschlands Regierungschefin alle mit, die Großen, vor allem auch die Kleineren. Nimmt sie mit zu ihrem Ziel, Europa zusammenzuhalten. Um (nahezu) jeden Preis. Das ist Merkels Politik, und sie kann nicht mehr anders. Griechenland ist ihr Schicksal. Diesem Partner ist geholfen worden und muss weiter geholfen werden. Das ist – um ein Wort von ihr aufzugreifen – alternativlos. Für diese Kanzlerin. Abgesehen von dem Geld, das so viel weniger ist, als Deutschland für seine Einheit ausgibt – Europas Einheit ist die andere Seite der Medaille.

Steuerte die Kanzlerin jetzt um, würde sie ihre Politik der vergangenen Jahre dementieren, sie würde die und sich selbst diskreditieren. Deshalb werden weitere Milliarden Euro lockergemacht werden. Nicht ohne Reformen der Griechen, das ist doch klar. Merkel kann ja rechnen. Aber sie hat eben gerade in Berlin dem ernannten Revolutionär Tspiras das Fähnchen abgeknickt.

In jeder Kanzlerschaft kommt das Ende aller Prinzipienfreiheit. Dieses Ende hat Angela Merkel hinter sich. Ihr Prinzip heißt Europa. Nur wenn sie das aufgibt, dann kommt sie an das Ende ihrer Kanzlerschaft.

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