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Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen ist ein Phänomen, das in der EU weit verbreitet ist.

© picture alliance / dpa

Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen: An der Quelle im Einzelhandel

Für Minderjährige ist es in der EU noch immer viel zu leicht, Alkohol in Supermärkten zu kaufen, kritisieren lokale Handelsverbände. EurActiv Brüssel berichtet.

Hotels, Kneipen und Restaurants brauchen Lizenzen, um Alkohol verkaufen zu dürfen, der Einzelhandel nicht. Letztes Jahr starteten mehrere Handelsverbände der EU-Mitgliedsländer Kampagnen, um den lizenzfreien Verkauf von Alkohol an Jugendliche in Supermärkten zu unterbinden. Dies sei unumgänglich, wenn man Minderjährige vom Alkoholkonsum abhalten wolle, so die Verbände.

Die EU-Kommission schätzt, dass in der Europäischen Union jedes Jahr Alkoholschäden in Höhe von 150 Milliarden Euro entstehen. Darüber hinaus sterben jährlich 120.000 Europäer an den Folgen von Alkoholmissbrauch, der mit 60 verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht werden kann.

„Wir wissen, dass Minderjährige sowohl in der Gastronomie als auch im Einzelhandel manchmal an Alkohol herankommen. Daher ist es wichtig, dass wir in diesem Bereich ansetzen, um ihnen den Zugang zu verweigern“, betont Paul Skehan, Generaldirektor von SpiritsEurope, dem EU-weiten Verband der Spirituosen- und Likörindustrie.

In Polen kommen 70 Prozent der Teenager leicht an Alkohol

In Polen müssen die Käufer von Alkohol mindestens 18 Jahre alt sein und dies mit ihrem Ausweis belegen können. Dennoch bestätigt eine Studie, dass 70 Prozent der Teenager nach eigenen Angaben „leicht oder relativ leicht“ an Alkohol kommen. Daher entschied sich der Verband der Wodkahersteller (ZP PPS), mit Supermarktketten wie Tesco oder Spar zusammenzuarbeiten. Gemeinsam setzen sie sich nun für verstärkte Ausweiskontrollen an den polnischen Kassen ein.

„Natürlich ist uns bewusst, dass manche Jugendliche auch über ihre Eltern einfachen Zugang zu Alkohol haben. Ein viel zu großer Teil geht jedoch noch immer auf den Verkauf in Supermärkten zurück“, erklärte Iga Wasilewicz von ZP PPS bei einer Veranstaltung am Dienstag in Brüssel. „Deswegen haben wir die Kampagne ’Here we check if you are an adult’ (’Hier prüfen wir, ob du volljährig bist’) ins Leben gerufen. Mit dieser Initiative setzen wir uns für Ausweiskontrollen ein. Dabei richten wir uns vor allem an drei Zielgruppen: Minderjährige, Einzelhändler und die Gesellschaft im Allgemeinen, also auch an jene, die Zeuge werden, wie Alkohol illegal verkauft wird“, sagte Wasilewicz. 2015 habe man mit der Kampagne 6.000 Verkaufsstellen in Polen erreichen können.

Supermarktketten und Spätkäufe machen mit

In Frankreich hat die Organisation „Avec Modération“, eine Gesellschaft für die Prävention alkoholbedingter Schäden, eine gemeinsame Initiative mit dem Verband der Spätverkaufsstellen gestartet. Dabei verteilten sie landesweit in fast 6.000 Einzelhandelsläden Broschüren, die über französische Alkoholgesetze informieren und dem Fachpersonal Hinweise für deren Einhaltung geben. Den Alkoholverkauf an Minderjährige zu unterbinden, sei ein wichtiger Schritt, um Jugendliche vom Trinken abzuhalten, bestätigt Alexis Capitant von „Avec Modération“.

Die Kampagne findet zu einem entscheidenden Zeitpunkt statt. Denn am Dienstag veröffentlichte die Versicherungsgesellschaft Axa eine Studie mit alarmierenden Ergebnissen: Fast ein Viertel der französischen Autofahrer geben zu, schon einmal unter Alkoholeinfluss gefahren – und das, obwohl die französische Regierung erst letztes Jahr verschärft gegen Trunkenheit am Steuer vorging. So senkte sie die gestattete Promillegrenze von 0,5 auf 0,2.

Auch in Rumänien wird nun gehandelt. Nachdem eine Studie des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) gezeigt hatte, dass 20 Prozent der rumänischen Jugendlichen schon einmal betrunken waren, entschied sich das Forum for Responsible Drinking (RFRD, Forum für verantwortungsbewussten Alkoholkonsum), zu handeln. „Wir haben uns an den Einzelhandel gewandt, um diese Informationen weiterzugeben. Denn wir glauben, dass Jugendliche genau dort Alkohol ausgehändigt bekommen“, meint Stefania Harabagiu vom RFRD. Wenige Zeit später rief die Organisation mit Carrefour und anderen Supermarktketten eine Kampagne gegen den Alkoholverkauf an Minderjährige ins Leben, um mehr als 400 Verkaufsstellen zu erreichen. Die Initiative lief von November bis Dezember, also in der Zeit, in der die meisten Alkoholgelage stattfinden. 20 Prozent der Kunden, die in diesem Zeitrahmen Alkohol kauften, geben an, die Kampagne wahrgenommen zu haben.

Ein ähnlicher Erfolg ist im Nachbarland Bulgarien zu verzeichnen. Dort kam es zu einer gemeinsamen Initiative des Handelsverbandes APITSD mit den Supermarktketten Lidl und Kaufland unter dem Motto „Alkohol ist nichts für Minderjährige“.

Im Dezember 2015 drängten die Mitgliedsstaaten die EU-Kommission, eine neue Strategie gegen alkoholbedingte Schäden vorzulegen. Eine solche ist Ende diesen Jahres zu erwarten. Darin werden vermutlich Empfehlungen enthalten sein, wie junge Menschen von Alkoholkonsum und Trunkenheit am Steuer abgehalten werden können.

Übersetzt von Jule Zenker.

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Henriette Jacobsen

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