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Politik: Alles andere als kinderleicht

Vielleicht war Außenminister Joschka Fischer ganz froh, dass Jürgen Borchert am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen" so wenig zu Wort kam. Schließlich blieben dem Spitzenkandidaten der Grünen, der im Wahljahr die Kinder- und Familienpolitik als Spitzenthema entdeckt hat, in der Sendung damit allzu peinliche Nachfragen des Sozialrichters und renommierten Familienexperten erspart.

Von Hans Monath

Vielleicht war Außenminister Joschka Fischer ganz froh, dass Jürgen Borchert am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen" so wenig zu Wort kam. Schließlich blieben dem Spitzenkandidaten der Grünen, der im Wahljahr die Kinder- und Familienpolitik als Spitzenthema entdeckt hat, in der Sendung damit allzu peinliche Nachfragen des Sozialrichters und renommierten Familienexperten erspart. Ganz undiplomatisch musste Fischer schnell noch den bösen Hinweis unterbringen, dass Borchert inzwischen die hessische Staatskanzlei und damit die CDU berät.

Für manche jüngeren Kinderpolitiker in der Partei des Außenministers war der Auftritt denn auch ein Beleg dafür, dass ihr Drängen auf neue Konzepte der Grünen zur Familien- und Kinderpolitik berechtigt ist. Nach dem Motto: Wer viel verspricht, bleibt nur glaubwürdig, wenn er auch beweist, wie er die Wohltaten finanzieren will. Denn das politische Schwergewicht Fischer unterstützt seit vergangenem Sommer die Forderung des "Kinderkreises" um die Parlamentarische Geschäftsführerin Katrin Göring-Eckardt - nur hat der Weltreisende wenig Zeit, sich auch noch um neue Konzepte für Betreuungsplätze oder um die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern zu kümmern.

Nachdem die zunächst skeptische Partei die Kinderbotschaft auf fast allen Ebenen übernommen hatte, arbeiteten Göring-Eckardt und Verbraucher-Staatssekretär Matthias Berninger nach: Sie präsentierten am Dienstag den Fachpolitikern ihrer Fraktion einen Vorschlag für eine "Kinderkasse". Danach sollten Eltern, die abhängig beschäftigt sind, für die Kindererziehung ein Jahr lang pausieren können und in dieser Zeit 60 Prozent ihres Einkommens erhalten. Verwaltet werden sollte die neue Leistung von der zurzeit viel geschmähten Bundesanstalt für Arbeit. Aufbringen sollten die Kosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro im Jahr die Beitragszahler - über eine Erhöhung von 0,4 Beitragspunkten. Das Projekt wollten die Kinderpolitiker dann ins Wahlprogramm der Partei hieven. Doch im Arbeitskreis der Fraktion stieß die Idee auf wenig Gegenliebe: Haushaltspolitiker monierten die Steigerung der Lohnnebenkosten in Zeiten des Sparens, die der Intention der Ökosteuer widerspreche. Mit der Quersubventionierung werden schließlich die Rentenbeiträge gedrückt. Und auch manche Abgeordnete, die grundsätzlich für das Kinderthema streiten, zeigten sich wenig begeistert.

Der Fach-Arbeitskreis beschloss denn auch, dass nicht der direkte Transfer an Familien, sondern die Verbesserung der Kinderbetreuung das erste Ziel der Grünen sein soll, wie die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Ekin Deligöz, dem Tagesspiegel sagte. An zweiter Stelle soll die Armutsbekämpfung stehen, erst danach soll es um die Reform der bestehenden Sozialversicherungssysteme gehen.

Das Scheitern einer Idee ist noch keine Niederlage für den "Kinderkreis" der Grünen. Dessen Vertreter haben inzwischen mit Parteichef Fritz Kuhn verhandelt - und der soll für den Wahlparteitag Unterstützung zugesagt haben. Eine Frage bleibt offen: Wer verkörpert im Wahljahr mit seiner Person die Kinderbotschaft der Grünen? Im Wahlkampfteam haben nur Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin eigene Kinder. Sie gelten für die Rolle des Familienbotschafters nur bedingt als geeignet.

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