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Politik: Alles auf Anfang?

Ein Karlsruher Nein wäre das Ende des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes – die Union lockt mit Kompromissen

Von Albert Funk

und Robert von Rimscha

Noch sind es Gerüchte. Beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird beteuert, sie seien ohne Grundlage: In Sachen Zuwanderungsgesetz sei keine Entscheidung gefallen. „Regierungskreise“ hatten gestreut, Karlsruhe werde die Abstimmung im Bundesrat vom 22. März als nicht verfassungskonform werten. Damals hatte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) auf Nachfragen das Votum Brandenburgs als Zustimmung gewertet. Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) hatte mit Ja, Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dagegen ablehnend votiert. Das Ergebnis: Aufruhr im Plenum – und die Verfassungsklage der Union.

Bei der liegt nun Freude in der Luft. Michael Glos formuliert schon vor, was als Reaktion der Sieger käme, sollten sich die Spekulationen bewahrheiten. „Eine gute Nachricht für Deutschland und ein Sieg des Rechts", meint der CSU-Landesgruppenchef. Der Kanzler werde „nach seinen Täuschungen im Wahlkampf damit auch des versuchten Verfassungsbruchs überführt". Glos forderte Wowereit zum Rücktritt auf. Der wies postwendend jeden Kommentar zu einer reinen Spekulation weit von sich.

Bayerns Bundesratsminister Reinhold Bocklet (CSU) warf Rot-Grün den Aufbau einer „öffentlichen Druckkulisse“ vor, um Karlsruhe zu beeinflussen. Auch der Richterbund fand deutliche Worte: „Der Urheber der Ente versucht offenbar, Richter, von denen er eine nicht genehme Entscheidung befürchtet, unter Druck zu setzen“, sagte dessen Vorsitzender Geert Mackenroth. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse befürchtet für den Fall des rot-grünen Scheiterns in Karlsruhe jedoch eine neue, „stark emotionalisierte" Ausländer-Debatte. Er habe genügend Phantasie, um sich einen solchen Streit vorzustellen, und vermutlich würde der dann die Landtagswahlkämpfe in Hessen und Niedersachsen prägen. Beide Länder wählen am 2. Februar.

Sollte Karlsruhe das Vorgehen Wowereits als verfassungswidrig bezeichnen, weil nach dem Grundgesetz Länder im Bundesrat nur einheitlich abstimmen können (und in 50 Jahren im Bundesrat nur einmal, in einem folgenlosen Fall, der Bundesratspräsident interpretierend eingriff), wäre das Gesetz gekippt. Rot-Grün müsste es erneut einbringen, doch gibt es auf längere Frist keine Möglichkeit mehr, es in der bestehenden Form im Bundesrat durchzubringen. Denn die Unions-Länder haben dort eine Mehrheit. Bleibt die CDU unter Roland Koch in Hessen an der Regierung, bleibt das so bis Herbst 2004. Doch selbst wenn Koch verliert (und Sigmar Gabriel Niedersachsen für die SPD hält), ergibt das für Rot-Grün keine Mehrheit im Bundesrat. Dann käme es wieder auf die große Koalition in Brandenburg an. Doch das Prozedere vom 22. März wäre nicht mehr möglich. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach hat daher angeboten, man werde ein „Integrationsgesetz“ mittragen, wenn sich Rot-Grün dafür öffne. Das hieße ein Einschwenken auf Vorstellungen der Union: Diese setzt Integration vor Zuwanderung.

Kippt das Zuwanderungsgesetz tatsächlich, wären bereits vollzogene Schritte ohne gesetzliche Grundlage. So hatte Innenminister Schily der Nürnberger Ausländerbehörde bereits im Juli einen neuen Namen und neue Aufgaben zugewiesen, darunter die Entwicklung der Integrationskurse.

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