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Politik: Alte Lösungen für alte Probleme

Argentinien wählt. Der frühere Präsident Carlos Menem hat Chancen – obwohl er das Land mit in die Krise stürzte

Am heutigen Sonntag wählen die Argentinier zum ersten Mal nach der schweren Krise vor eineinviertel Jahren wieder einen neuen Präsidenten. Dabei haben sie die Wahl zwischen drei Kandidaten der traditionellen peronistischen Partei sowie zwei relativ neuen Gesichtern, die eine grundlegende politische Erneuerung versprechen: Der Ex-Minister und liberale Ökonom Ricardo Lopez Murphy aus dem Mitte-Rechts-Spektrum hat sich laut neuesten Umfragen ins Spitzenfeld vorgearbeitet. Die linke Oppositionspolitikerin Elisa Carrio liegt dagegen abgeschlagen auf dem fünften Platz.

Der letzte vom Volk gewählte Präsident Fernando de la Rua trat im Dezember 2001 inmitten von fast anarchischen Zuständen zurück. Ein plündernder Mob machte sich in den Randbezirken Supermärkte und Geschäfte zu Eigen, in Buenos Aires demonstrierten jeden Abend mittelständische Familien zu Tausenden vor dem Regierungsgebäude „Casa Rosada", tagsüber lieferten sich Jugendliche Straßenschlachten mit der Polizei. Das war der Wutausbruch einer Bevölkerung, die die Nase voll hatte von ihrer korrupten Politikerklasse, die das einstmals reiche Land über die letzten Jahrzehnte heruntergewirtschaftet hatte. „Sie sollen alle abhauen", lautete der Aufruf der Protestler an die Politiker.

Heute sind wieder die Peronisten die eindeutig stärkste politische Kraft in Argentinien. Die Partei darf sich rühmen, seit der ersten Amtszeit von General Juan Domingo Peron im Jahr 1946 nur zweimal auf demokratische Weise von der Macht verjagt worden zu sein, beide Male jedoch ihre Opponenten schon vor Ende der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Regierungsperiode wieder aus dem Amt vertrieben zu haben. So folgte auf den unwürdigen Abgang des ehemaligen Präsidenten de la Rua wieder eine peronistische Regierung: Die derzeitige Übergangsadministration unter dem vom Kongress gewählten Präsidenten Eduardo Duhalde konnte zumindest kurzfristig die wirtschaftliche und soziale Situation stabilisieren, ohne jedoch an den strukturellen Schwächen des Systems zu rütteln. „Die Peronisten sind die Einzigen, die dieses Land regieren können“ – diese Meinung hört man unter den Argentiniern derzeit häufig.

Allen Umfragen zufolge wird keiner der Kandidaten im ersten Durchgang am heutigen Sonntag die nötige absolute Mehrheit bekommen, so dass eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen nötig sein wird. Die besten Chancen, in die am 18. Mai vorgesehene Stichwahl vorzurücken, haben derzeit der vom Präsidenten Duhalde gestützte Kandidat Nestor Kirchner (Peronist) sowie der alternde Ex-Präsident Carlos Menem. Der Peronist Menem regierte das Land in den neunziger Jahren und verantwortete die schwere Krise von 2001 zum großen Teil mit.

Gute Chancen auf ein Vorrücken in die Stichwahl hat schließlich der unabhängige Kandidat Lopez Murphy. Er genießt zwar einen Ruf als ausgezeichneter Ökonom, hat aber in den Augen vieler Sympathisanten einen großen Nachteil: Im Fall eines Wahlsieges müsste Lopez Murphy gegen den mächtigen Gewerkschafts- und Parteiapparat der Peronisten und zudem ohne Kongressmehrheit regieren. Viele fürchten daher, dass er wie Ex-Präsident de la Rua nicht bis zum Ende der Amtszeit durchhält.

Anne Grüttner[Buenos Aires]

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