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Politik: Altes Ziel, neuer Name Aus „Barcelona-Prozess“ wird „Mittelmeerunion“

Auch afrikanische Staaten sollen Bündnis angehören

Madrid - Die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika bekommt einen neuen Namen. „Union für das Mittelmeer“ heißt das Projekt künftig, das ursprünglich im Jahr 1995 auf den Namen „Barcelona-Prozess“ getauft worden war. Die nun von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel in Brüssel vorgeschlagene „Mittelmeer-Union“ klingt deutlich besser. Auch wenn vor allem die Spanier es gerne gehabt hätten, wenn ihr Markenzeichen „Barcelona“ erhalten worden wäre.

An den Inhalten, die Zivilisationen im mediterranen Raum zusammenzuführen, wird sich freilich wenig ändern. Die Europäische Union, die Türkei, das arabische Nordafrika sowie der Nahe Osten mit Israel und Palästina treffen hier aufeinander. 27 EU-Staaten auf der einen Seite. Auf der anderen befinden sich 12 Anrainer als Partner. Und das vom Schurkenstaat zum westlichen Verbündeten gewandelte Libyen, das bisher im „Barcelona-Prozess“ einen Beobachterstatus hatte, wird sich wohl ebenfalls einreihen. Das Ziel der deutsch-französischen Initiative lautet, „die EU-Mittelmeerpolitik neu zu beleben“. Der „Barcelona-Prozess“, den die EU-Staats- und Regierungschefs bereits 1995 eben in der nordspanischen Mittelmeerstadt Barcelona angestoßen hatten, ist zwar nicht tot, aber verläuft ziemlich zäh. Auf dem Weg zur politischen und wirtschaftlichen Kooperation sind zwar Fortschritte gemacht worden, aber das Ziel einer großen mediterranen Gemeinschaft ist noch fern. Das Wohlfahrtsgefälle zwischen EU und Nordafrika, ist sogar gestiegen. Und ein Ende der Nahostkrise trotz aller Diplomatie nicht absehbar.

„In der Mittelmeerunion sollen alle EU-Länder mit den Mittelmeer-Anrainerstaaten gleichberechtigt zusammenarbeiten“, verkünden Merkel und Sarkozy. Auch wenn sich südliche EU-Staaten wie Spanien und Italien besonders viele Vorteile erhoffen. Ursprünglich wollte Sarkozy nur eine Union der direkten Mittelmeer-Anrainer ins Leben rufen. Nach dem Protest von Merkel und anderen nordeuropäischen Staaten, die sich ausgeschlossen fühlten, rang sich der Franzose dazu durch, seine Idee zu einer EU-Initiative zu machen.

Merkel forderte, die Mittelmeerpolitik solle zu einem „zentralen Element“ der EU-Außenpolitik werden. Niemand werde von diesem Projekt ausgeschlossen, pflichtete Sarkozy ihr bei. Der deutsch-französische Vorschlag sieht einen gemeinsamen Vorsitz des neuen Bündnisses durch ein ans Mittelmeer grenzendes EU-Land sowie einen anderen Mittelmeer-Anrainer vor. Alle zwei Jahre wird gewechselt. Die Union soll „ein kleines Sekretariat“, also einen eigenen zunächst bescheidenen Verwaltungsapparat bekommen. Die Franzosen wie auch die Spanier werben dafür, eine europäische Mittelmeer-Investitionsbank ins Leben zu rufen, um Entwicklungskredite und Wirtschaftshilfen besser kanalisieren zu können.

Im EU-Haushalt sind für den bisherigen „Barcelona-Prozess“ von 2007 bis 2013 bereits 16 Milliarden Euro veranschlagt. Zusätzliche Gelder sind für die Mittelmeerunion nicht vorgesehen. Die EU liefert jährlich Waren im Wert von mehr als 40 Milliarden Euro in die Mittelmeer-Partnerländer. Mehr als die Hälfte aller Exporte aus dieser Region geht in die EU-Staaten. Formell gegründet werden soll die Union am 13. Juli mit einem EU-Mittelmeer-Gipfel in Paris. Frankreich übernimmt in der zweiten Hälfte des Jahres den EU-Vorsitz. Die Mittelmeer-Union gilt als Prestige-Projekt Sarkozys, der bereits milliardenschwere bilaterale Geschäfte zwischen Frankreich und Libyen, Algerien sowie Marokko vereinbarte. Im Zuge der EU-Mittelmeer-Partnerschaft soll zudem eine euro-mediterrane Freihandelszone errichtet werden.

Ralph Schulze[Madrid]

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