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Fleißig, gute Noten – das genügt bei vielen Migranten offenbar nicht, damit sie eine Lehrstelle finden. Foto: BeckerBredel

© BeckerBredel

Ausbildungsplätze: Am Ende gewinnen immer die Deutschen

Eine Studie über Ausbildungsplatzvergabe belegt: Einstellungskriterien benachteiligen Migranten – und Migrantinnen noch deutlicher.

Die gängigen Auswahlverfahren bei Bewerbungen benachteiligen Migranten, aber auch Frauen. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), die an diesem Montag veröffentlicht wird. Die deutschen Betriebe gehen demnach zu selektiv mit ihren Bewerbern um. „Angesichts des künftig drohenden massiven Nachwuchsmangels an Fachkräften werden die Betriebe überdenken müssen, ob sie ihre Auswahlkriterien bei der Besetzung ihrer Lehrstellen unverändert beibehalten“, mahnen die Autoren.

Für die Untersuchung befragten Forscher des BIBB mehr als 7000 junge Menschen der Geburtsjahrgänge 1982 bis 1988. Das BIBB ist eine Einrichtung des Bundes, die die Bildungssituation in Deutschland erforscht und Vorschläge zu deren Verbesserung macht. Knapp ein Viertel der Befragten hatte einen Migrationshintergrund. Von den Migranten, die einen Ausbildungs- oder Berufsschulplatz anstrebten, hatte demnach nach drei Jahren jeder Vierte noch keinen gefunden. Unter den Deutschen war es nur jeder Achte.

An mangelndem Engagement kann das nicht liegen. Im Durchschnitt verschicken Jugendliche 28 Bewerbungen für drei bis vier unterschiedliche Ausbildungsberufe: Männer deutscher Herkunft am wenigsten, deutsche Frauen am meisten – dazwischen liegen die Migranten. Frauen sind der Studie zufolge grundsätzlich mobiler, eigenständiger bei der Suche und fleißiger beim Bewerbungsschreiben. Gleichwohl ist es für Frauen – und hier insbesondere für solche mit Migrationshintergrund – weit schwieriger, eine Ausbildung oder einen Berufsschulplatz zu finden.

Ihre Herkunft scheint dabei für Migranten eine größere Rolle zu spielen, als man bisher annahm. Zum einen stammen Migranten häufiger aus „bildungsfernen Schichten“. Deshalb lernen sie schlechter als andere, was man für einen erfolgreichen Bildungsweg braucht: Es sind nicht so sehr Kenntnisse als vielmehr die Fähigkeit, sich zu präsentieren. Zum anderen – und dieser Punkt ist nicht weniger relevant – wird der Wert einer guten Ausbildung in manchen Familien geringer geschätzt, auch finanziell. Das hält viele davon ab, sich für eine (Fach-)Hochschulbildung zu entscheiden, selbst wenn er oder sie die nötigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt.

Menschen mit Migrationshintergrund nehmen wohl auch aus diesem Grund seltener familiäre Hilfe in Anspruch, wenn sie sich bewerben. Besonders niedrig ist die Rate bei Frauen nichtdeutscher Herkunft. Unterstützung holen sich viele junge Menschen dagegen von staatlicher Seite. Mehr als die Hälfte der Schulabgänger, die eine betriebliche Ausbildung anstreben, melden sich bei den zuständigen Arbeitsagenturen. Unter den Migranten ist der Anteil sogar etwas höher als bei jungen Menschen deutscher Herkunft – offenkundig ist hier das Vertrauen zu den staatlichen Institutionen sogar größer.

Haben sich Migranten dann entschieden, einen Ausbildungs- oder Berufsschulplatz anzustreben, müssen sie noch manche Hürde überwinden. Auch bei gleichen Schulleistungen nehmen Kinder aus nichtdeutscher oder niedrigerer sozialer Herkunft seltener eine Ausbildung auf. Und selbst bei gleicher Schulleistung und gleicher sozialer Herkunft hätten es Migranten schwerer, schreiben die Autoren der BIBB-Studie.

Das freilich liegt nicht an geringeren Sprachkenntnissen oder weniger Fleiß bei den Bewerbungen, betonen die Autoren. „All die früher gängigen Erklärungsmuster für die wesentlich geringeren Zugangschancen von Jugendlichen ausländischer Herkunft in die Berufsausbildung wurden somit entweder inzwischen widerlegt oder stellen als alleinige Ursachen keine hinreichende Erklärung dar.“ Es sei vielmehr zu vermuten, dass Migranten in den gängigen Auswahlverfahren benachteiligt würden. „Daher sollte es im besonderen Interesse der Betriebe liegen, möglichst allen jungen Menschen eine fundierte berufliche Qualifizierung zu ermöglichen. Die Herkunft sowie das Geschlecht der Jugendlichen sollten dabei keine Rolle spielen.“

Im Jahr 2004 hatten die Bundesregierung und Spitzenverbände der Wirtschaft einen Ausbildungspakt geschlossen, der vor wenigen Wochen bis zum Jahr 2014 verlängert wurde. Der Pakt sah eine Selbstverpflichtung der Vertragspartner vor, „jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen“ einen Platz zur Verfügung zu stellen. 60 000 Ausbildungsplätze pro Jahr sollten demnach geschaffen werden. Doch die Wirtschaftsverbände wollten sich zum Ärger der Gewerkschaften nicht auf diese Zahl festlegen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund verweigerte im Oktober deshalb in letzter Minute seine Unterschrift unter den neuen Ausbildungspakt.

Im vergangenen „Berufsberatungsjahr“ zählte die Bundesagentur für Arbeit 522 000 Bewerber für eine Ausbildungsstelle. Dem standen 483 000 freie Plätze gegenüber. Der Ausbildungsmarkt erholte sich trotz der Wirtschaftskrise leicht, auch weil die Nachfrage junger Leute nach Ausbildungsplätzen wegen der demografischen Entwicklung langsam, aber stetig sinkt. Es gelte nun, so das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Bilanz des 7. Paktjahres, „leistungsschwächere Jugendliche aus dem Kreis der Altbewerber, der Migranten sowie sozial benachteiligte und lernbeeinträchtigte junge Menschen“ mit Ausbildungsplätzen zu versorgen.

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