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Politik: An der falschen Front

SCHRÖDER, BUSH, IRAK

Von Christoph von Marschall

Was für ein versöhnlicher Auftritt. Colin Powell lobt Deutschland für sein Engagement in Afghanistan und beruhigt: Amerika brauche Hilfe im Irak, erwarte von Berlin aber keine Soldaten. Viele Deutsche werden das eine mit Stolz und das andere mit Erleichterung hören. Wem war schon wohl bei dem tief gehenden persönlichen Zerwürfnis zwischen Kanzler Schröder und Präsident Bush vor einem Jahr? Die USA sind doch der wichtigste Verbündete. Kurz vor dem Treffen der beiden in New York sieht alles nach Versöhnung aus. Sie haben offenbar aus Fehlern gelernt.

Haben sie das? Im Ringen um die neue IrakResolution zeichnet sich die gleiche Konstellation ab wie im Streit um den Krieg: Deutschland und Frankreich im Bund mit Russland und China gegen den amerikanischen Freund. Schlimmer noch, die Bundesregierung läuft Gefahr, ihren eigentlichen Fehler zu wiederholen. Der bestand nicht darin, dass sie gegen den Krieg war; dafür gab es gute Argumente. Sondern dass sie Einfluss beanspruchte, ohne Verantwortung zu übernehmen. Sie organisierte sogar Widerstand in den UN gegen Amerika, sagte aber gleichzeitig: Egal was die UN beschließen – wir machen nicht mit. Auch jetzt möchte Rot-Grün vorgeben, was die USA zu tun haben; aber einen Beitrag zu einem alternativen Konzept bietet die Koalition nicht an. Wieder scheint es ihr wichtiger zu sein, Bushs Amerika einzudämmen als die Friedensfeinde im Irak.

Die Zurückhaltung mit Taten ist richtig. Deutschland kann nichts beitragen, was der Irak braucht. Wäre da nicht auch Zurückhaltung beim Ratgeben angemessen? Zumal die deutschen Rezepte nur bedingt überzeugen. Wahr ist: Die Entwicklung im Irak ist besorgniserregend, ein Strategiewechsel geboten. Mehr UN, wie es Rot-Grün fordert, reicht aber als Antwort nicht aus. Was wäre denn, wenn die USA auf die Forderung eingingen, den UN die Entscheidungsmacht zu übertragen, und ihre Präsenz entsprechend verringerten? Es gäbe einen Aufschrei: Flucht aus der Verantwortung! Die Vereinten Nationen können nur eines besser als Amerika – nämlich, dem Einsatz eine höhere völkerrechtliche Legitimation verschaffen. Mehr nicht, aber das wäre ja schon was. In der Praxis sind die UN kaum eine Hilfe. Weder sind sie besser in der militärischen Sicherung des Friedens noch beim Aufbau der Zivilverwaltung. Auch sie gehören zum Feindbild der Guerilla, das hat der Anschlag auf ihr Hauptquartier in Bagdad gezeigt.

Das alles gilt auch für die Nato und für Europa. Wer aus dem Westen die Soldaten und Aufbauhelfer stellt, das macht aus der Perspektive der Iraker und der muslimischen Welt nicht den entscheidenden Unterschied aus. Die kulturelle Distanz bleibt. Und auch das Misstrauen, dass der Westen sich nur Zugriff auf ein arabisches Land und seine Bodenschätze sichern will. Diese Gefühlslage nutzen die Feinde des Friedens im Irak rücksichtslos aus, um Sympathien für ihren Widerstand zu gewinnen.

Der Frieden braucht mehr muslimische Friedenstruppen, aus Pakistan, Malaysia, der Türkei; und mehr Iraker in der Zivilverwaltung. Die können dann nicht mehr nur zuschauen, sondern müssen sich entscheiden, wo sie stehen – und selbst gegen Friedensgegner Front machen. Diesen Zielen muss die neue UN-Resolution dienen. Es geht nicht darum, Frankreich, Deutschland oder Russland Einfluss zu verschaffen. Das Ziel muss sein, den Alliierten, die wirklich gebraucht werden, den Weg in eine Koalition für den Frieden zu öffnen. Deutschland kann dabei helfen, mit seinem diplomatischen Netzwerk und seinem Einfluss. Das wäre der beste Dienst, für den Irak und für das Verhältnis zu Amerika. Kurzum: für die eigenen Interessen.

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