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Politik: An Gabriel vorbei?

Wie Unionspolitiker den Umweltminister beim Atomausstieg „neutralisieren“ wollen

Von Matthias Meisner

Berlin - In der CDU gibt es neue Vorstöße, um die Abschaltung von Atomkraftwerken in der laufenden Legislaturperiode bis 2009 zu verhindern. Der „Spiegel“ berichtete über ein sechsseitiges Strategiepapier von CDU-Energieexperten, in dem die Möglichkeiten ausgelotet werden, die Laufzeiten bestimmter Reaktoren notfalls auch ohne die Zustimmung von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zu verlängern.

Die Parteispitze ging zwar vorsichtig auf Distanz, indem eine Sprecherin erklärte: „Ein solches Papier liegt dem Präsidium nicht vor und wurde auch nicht in Auftrag gegeben.“ Der CDU-Umweltpolitiker Klaus Lippold aus Hessen indes machte sich die Haltung des Papiers zu eigen. „Das kann man alles machen“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Abschaltung von Atomkraftwerken innerhalb der nächsten vier Jahre zu verhindern, sei „durchaus ein erster vernünftiger Schritt“.

Die in der CDU diskutierten Überlegungen laufen darauf hinaus, Restlaufzeiten von jüngeren auf ältere Kraftwerke zu übertragen – um so etwa die Abschaltung von Neckarwestheim I in Baden-Württemberg sowie Biblis A und B in Hessen bis 2009 zu verhindern. Laut Ausstiegsvertrag liegt die Kompetenz für die Übertragung von Restlaufzeiten bei einer hochrangigen Arbeitsgruppe aus Umwelt- sowie Wirtschaftsministerium und Kanzleramt. Die CDU-Politiker meinen, in dieser Arbeitsgruppe könnte der Umweltminister lediglich „Vollziehender der Entscheidung“ sein, der Kanzleramtschef dagegen „der Handelnde“. So will die Union um die Abschaltung von Kraftwerken bis 2009 „drum rumkommen“, wie Lippold es ausdrückt – und in der kommenden Legislaturperiode womöglich Laufzeitverlängerungen durchsetzen. Reinhard Loske, Vize-Fraktionschef der Grünen, hält das für eine „glatte Farce“. Die Übertragung von Restlaufzeiten auf ältere Kraftwerke am zuständigen Umweltminister vorbei „wäre ein Koalitionsbruch“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag: „Das könnte sich die SPD niemals gefallen lassen. Und das wird sie auch nicht.“

Umweltminister Gabriel derweil zeigte erneut Härte – und kündigte eine Reform der Atomaufsicht an. Er sagte: „Es heißt immer, wir hätten die sichersten Atomkraftwerke. In der Technologie mag das für die neuesten noch stimmen. Für die alten stimmt das nicht.“ Als Negativbeispiele nannte er die von der Abschaltung bedrohten hessischen Meiler Biblis A und B. Sie hätten „nicht einmal eine unabhängige und gebunkerte Notstandswarte, um die Anlage in einem echten Störfall von außen fahren zu können“.

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