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Analyse: Pisa-Euphorie statt Schock

Fast die gesamte Zunft klopfte sich diesmal stolz auf die Schulter. Vom tiefen Pisa-Schock, in den vor sechs Jahren die deutsche Öffentlichkeit stürzte, ist nichts mehr zu spüren. Auffällig: Selbst die Kellerkinder im Ranking stehen besser da als vor drei Jahren.

Beinahe schon euphorisch reagierten parteiübergreifend Politiker und Experten diesmal auf den Pisa-Vergleich unter den 16 Bundesländern. Viel Lob bekam der neue Bildungs-Champion Sachsen, der den bisherigen Klassenprimus Bayern in allen drei getesteten Disziplinen vom Spitzenplatz verdrängte. Aber auch für versetzungsgefährdete Schlusslichter gab es Anerkennung für Erfolge bei der Aufholjagd um bessere Pisa-Noten.

Selbst Manfred Prenzel, der sonst eher zum Understatement neigt, zeigte sich bei der offiziellen Präsentation am Dienstag in Berlin auffallend zufrieden. Auch wenn noch längst nicht überall alles im Lot sei, unbestreitbar seien die Fortschritte, lautete die Botschaft des Kieler Professors, der die Untersuchung koordiniert. Das geht über die Naturwissenschaften hinaus, wo Deutschland insgesamt inzwischen über dem Durchschnitt der anderen Industrienationen rangiert. Auch bei den Leistungen in Mathematik habe man in den letzten Jahren kräftig aufgeholt. Nur beim Leseverständnis gebe es noch ziemlich viel zu tun.

Selbst Schlusslicht Bremen macht große Fortschritte

Aber nicht nur die alten und auch neuen Spitzenreiter in Sachen Bildung hätten sich mächtig ins Zeug gelegt, sondern auch die Länder auf den hinteren Plätzen. "Bemerkenswerte Fortschritte" in allen Bereichen bescheinigen Prenzel und sein Team in allen drei Test-Disziplinen etwa dem kleinsten Bundesland Bremen, das zusammen mit Hamburg ganz unten auf der Rankingliste steht.

An den Ursachen, dass städtische Ballungsräume bei solchen Vergleichstests stets schlechter abschneiden als die meisten Flächenländer, dürfte sich nach Ansicht von Bildungsexperten so rasch nichts ändern. Insgesamt gelte weiterhin, dass in Deutschland die "sozialen Disparitäten" viel zu hoch seien, lautet Prenzels Befund. Immer noch sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Akademikerkind das Abitur macht, in Deutschland mehr als vier Mal so hoch wie bei dem Sohn oder der Tochter eines Facharbeiters. Erfreulich sei, dass sich diese "soziale Schere" zumindest in einigen Ländern in letzter Zeit nicht noch weiter vergrößert habe.

Ostdeutschland: Profitieren vom DDR-Erbe

Unverändert "eine große Herausforderung" ist laut Prenzel vor allem in den städtischen Räumen der besonders hohe Anteil von Schülern aus ausländischen Zuwandererfamilien. Während eine Gruppe sich auch bei den Lesekenntnissen "völlig unauffällig" verhalte, produzierten vor allem die Leistungsschwächeren die großen Unterschiede bei Test-Notenvergabe.

Nicht ganz überraschend kommt für die meisten Experten, dass die 15-Jährigen Schüler in Sachsen bei den Naturwissenschaften Bayern überflügelte. Dies liege unter anderem auch daran, dass Fächer wie Biologie, Physik und Chemie dort schon seit DDR-Zeiten besonders gepflegt werden. Während in Ost-Ländern bis zu fünf Wochenstunden Naturwissenschaften auf dem Lehrplan stehen, sind es im Westen nicht selten eine Stunde weniger.

Joachim Schucht[dpa]

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