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Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, bei einer Pressekonferenz im Dezember.

© dpa/Bernd Weißbrod

„Anders kann man keine Stadtverwaltung führen“: Palmer rechtfertigt „kontrollierten Gesetzesbruch“ im Rathaus

Im Amtsalltag müsse der Tübinger Oberbürgermeister oft Vorschriften übergehen. „Damit sie nicht mit der Wirklichkeit kollidieren“, sagt er. Privat sei er allerdings stets gesetzeshörig.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat das Vorschriftensystem in deutschen Behörden kritisiert und eine Missachtung bestimmter Regeln als notwendig gerechtfertigt.

„Mein Amtsalltag besteht nicht selten darin, Vorschriften zu übergehen. Anders kann man in Deutschland keine Stadtverwaltung führen“, sagte Palmer dem Magazin „Zeit Verbrechen“.

Demnach beschäftige er sich als Rathauschef mit der Wirklichkeit, wohingegen sich die Bürokraten mit ihren Vorschriften beschäftigten. „Ich bin davon überzeugt, dass ich als Amtsperson Vorschriften zurechtruckeln muss, damit sie nicht mit der Wirklichkeit kollidieren“, so Palmer.

Als Oberbürgermeister muss man bereit sein, die Verantwortung für kontrollierten Gesetzesbruch zu übernehmen.

Boris Palmer, Oberbürgermeister Tübingen

Der parteilose Politiker ist seit 2007 Oberbürgermeister der 90.000-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg. Im Mai vergangenen Jahres war er bei den Grünen ausgetreten, nachdem er mehrmals für heftige Kontroversen gesorgt hatte.

Seine Kommunalpolitik und neuen Ansätze in der Verwaltung brachten ihm aber auch bundesweite Anerkennung. Zugleich kam er dabei mitunter mit dem Behördensystem in Konflikt.

So kassierte das Regierungspräsidium im Jahr 2022 Palmers energiepolitische Sparmaßnahme, die Laternen in Tübingen nachts auszuschalten. Zudem wurde sein Vorhaben, „auffällige“ Flüchtlinge in einer zentralen Liste zu erfassen, als Datenschutzverstoß gewertet.

Im selben Jahr hatte Palmer in einem Tagesspiegel-Interview die umfassende Bürokratie in deutschen Behörden kritisiert. „Wir brauchen erst mal ein Bewusstsein dafür, dass wir überreguliert sind“, sagte er damals.

Privat hält sich Palmer an die Gesetze

Privat indes übertritt Palmer keine Vorschriften, wie er nun im jüngsten Interview betont. „Für meine private Lebensführung gilt: Gesetze sind bindend, ohne Diskussion“, sagte er in dem Magazin. Demnach stehe ihm im Privaten die Entscheidung nicht zu, „welche Regeln rechtens sind und welche nicht“. 

Auch als Jugendlicher sei er stets gesetzeshörig gewesen, erklärt der 51-Jährige. „Ich habe nicht mal eine Zigarette angerührt, geschweige denn einen Joint.“

Ende Dezember vergangenen Jahres hatte Palmer angekündigt, im Wahlkreis Tübingen bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg am 9. Juni 2024 für die Liste der Freien Wählervereinigung (FWV) zu kandidieren. (cst)

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