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Politik: Andrang vor dem Elysee-Palast

Am meisten stöhnen die Fernseh- und Radioredaktionen. Denn der Verfassungsrat hat am Donnerstag 16 Kandidaten zur Präsidentschaftswahl in Frankreich am 21.

Am meisten stöhnen die Fernseh- und Radioredaktionen. Denn der Verfassungsrat hat am Donnerstag 16 Kandidaten zur Präsidentschaftswahl in Frankreich am 21. April zugelassen. Fast wären es 17 gewesen: Ein Bewerber bekam jedoch die erforderlichen 500 gültigen Unterschriften von so genannten Wahlpaten - gewählten Lokal- oder Regionalpolitikern - zur Unterstützung der Kandidatur nicht zusammen. Mit der Bekanntgabe der Bewerber hat der Wahlkampf offiziell begonnen, die elektronischen Medien sind nun per Gesetz verpflichtet, jedem Kandidaten diesselbe Redezeit einzuräumen.

Noch nie gab es so viele Anwärter für das höchste Amt im Staate. Der bisherige Rekord wurde 1974 aufgestellt. Damals bewarben sich zwölf Politiker um den Einzug in den Elysée-Palast. Rekordverdächtig ist auch die bunte Zusammensetzung der Bewerber. Unter ihnen sind alleine drei Trotzkisten, zwei Grüne, zwei Rechtsextreme, und sogar die Lobby der Jäger hat ihren Wunschkandidaten durchgebracht. Sie alle flankieren das Spektrum der politischen Mitte. Denn: Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Wahlprogramme der etablierten Parteien kaum voneinander unterscheiden, haben rund 30 Prozent Franzosen in Umfragen angekündigt, beim ersten Wahlgang ihr Kreuz links außen oder rechts außen zu setzen, also ein hoher Anteil an Protestwählern.

Die Unentschlossenheit, ja das Desinteresse bezüglich der wichtigsten Wahl in Frankreich seit sieben Jahren führen Beobachter auf die fast identischen Wahlversprechen der Spitzenkandidaten zurück. Sowohl für den Amtsinhaber Jacques Chirac als auch für seinen Gegenspieler Lionel Jospin steht fest: Die wichtigsten Wahlkampfthemen sind die Bekämpfung der Kriminalität, die Verringerung der Arbeitslosigkeit, Steuersenkungen, Rentenreform und die Verschlankung des Staatsapparates. Die Franzosen finden diese Gleichschaltung der Ideen offenbar wenig spannend. Mit der Frage "Das Ende des Streits zwischen rechts und links?", erinnert "Le Monde" wehmütig an frühere Wahlkampfzeiten, als der Konservative Jacques Chirac die Privatisierung der Betriebe und Banken versprach und sein sozialistischer Kontrahent Francois Mitterrand genau das Gegenteil, nämlich die Verstaatlichung der Industrie. Damals, so trauert das Blatt und mit ihm Frankreichs politisch interessierte Klasse, zielten die Kandidaten nicht wie heute zaghaft auf die Mitte.

Nostalgie hat in diesem faden Wahlkampf allerdings keinen Platz. Für die meisten Kandidaten geht es um einen möglichst guten Platz in der ersten Wahlkampfrunde. Weil nahezu sicher ist, dass bei der Stichwahl am 5. Mai die beiden Favoriten Chirac und Jospin gegeneinander antreten, wie schon bei den letzten Wahlen 1995, ist vor allem die dritte Position begehrt. Nach den demografischen Voraussagen können sich nur drei Bewerber Hoffnungen machen - darunter der rechtspopulistische Chef der Nationalen Front, Jean-Marie Le Pen, der 1995 mit ausländerfeindlichen Parolen immerhin 15 Prozent beim ersten Urnengang erreichte.

Sabine Heimgärtner

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