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Politik: Angebot mit Hintersinn

Amerikas Demokraten wollen Deutschland in den Irak holen und bieten ein UN-Mandat, doch Berlin hält sich alle Möglichkeiten offen

DER IRAK NACH DEM KRIEG

Es geht um vier Fliegen, die mit einer Klappe geschlagen werden sollen. Gesucht wird die Klappe. Deutschland einen Weg in den Irak eröffnen, damit die transatlantische Kluft überbrücken, Amerikas Nachkriegslasten internationalisieren und den Alleingang Bushs korrigieren: Das ist ein Kernprojekt der US-Demokraten. Berlin fordert als Vorbedingung für jede Diskussion über eine Bagdad-Mission ein neues UN-Mandat. Das hat Außenminister Fischer in Washington gerade wieder deutlich gemacht. Nach seinem Besuch suchen die Europa-Freunde in den USA, die Rot-Grün eher wohlgesonnen sind als die Bush-Regierung, nach Lösungen.

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bush-Regierung gezwungen wird, zurück zu den UN zu gehen“, glaubt Ron Asmus, unter Bill Clinton Staatssekretär für Europa und heute führender Außenpolitiker der Partei. „Gegenwärtig diskutiert die Demokratische Partei, ob wir Bush drängen sollen, dass er seine Fehler einräumt und zurück nach New York geht, um diesen Fehler zu korrigieren“, sagte Asmus am Freitag dem Tagesspiegel. „Wenn Bushs Mannschaft klug ist, dann merkt sie doch, dass sie gegenwärtig einige Hebel perfekt ansetzen könnte, um eine sehr US-freundliche Vereinbarung zu bekommen. Niemand könnte sich dem verweigern“, so Asmus. Niemand – das bedeutet, auch Berlin nicht.

Ein Einbinden Europas im Irak würde den Demokraten dienen. Joe Biden, dienstältester demokratischer Senator im Außenpolitik-Ausschuss, hat bereits vor Wochen gefordert: „Ich will deutsche, französische und türkische Rangabzeichen auf den Armen der Soldaten sehen, die an den Straßenecken im Irak stehen.“ Aus dem Lager der drei führenden Bush-Rivalen Dick Gephardt, John Kerry und Joe Lieberman tönt es ähnlich: „Wäre es nicht besser, wenn die Deutschen und Franzosen in den Straßen Bagdads patrouillieren würden, und nicht nur unsere Jungs?“

All diese Demokraten waren für den Krieg. Sie sind sich aber sicher, dass eine Gore-Regierung diplomatisch geschickter vorgegangen wäre. „Es war alles andere als unmöglich, Paris und Berlin mit ins Boot zu holen“, glaubt Asmus. „Wenn Bush mit einem UN- Mandat in Afghanistan leben kann, warum nicht im Irak?“, fragt er. Damit wäre dem kriegskritischen Kern-Europa eine Brücke zurück in die Partnerschaft gebaut – Berlin müsste sie dann aber auch beschreiten. Wenn ausgerechnet die Demokraten, die ideologischen Partner der SPD in den USA, eine Tür öffnen würden, wäre eine deutsche Verweigerung umso schwieriger. Um diese Zwickmühle weiß Gernot Erler, SPD-Außenpolitiker, Fraktionsvize und gerade von einem USA-Besuch zurückgekehrt. Deshalb warnt er vor jedem Automatismus nach dem Motto: Liegt ein UN-Mandat vor, ist Deutschland dabei.

Doch Erler sieht, anders als Asmus, noch „keine Kräfte auf dem Weg hin zur UN“. Weder in der US-Regierung – für die ein solcher Schritt dem Eingeständnis gleichkäme, sich überhoben zu haben – noch bei den Demokraten, deren Haltung Erler als „sehr, sehr uneinheitlich“ beschreibt. Erler sieht das Grundproblem darin, dass Washington seine Partner zwar drängt zu helfen, seine Rolle aber nicht grundsätzlich überdenkt: „Wenn andere Soldaten neben den Okkupanten und als Verstärkung der Okkupanten im Irak stünden, brächten die anderen Länder-Abzeichen gar nichts. Diese Soldaten wären dann in derselben Rolle, und US-Truppen wären nicht weniger gefährdet.“ Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Schäuble, warf indes Außenminister Fischer im DeutschlandRadio vor, es fehle „die konzeptionelle Antwort darauf, wie sich Deutschland im Nachkriegs-Irak“ verhalten werde.

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