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Politik: Angekommen im Paradies

Teneriffa erlebt einen Ansturm der Flüchtlinge

Madrid - „Wir wissen nicht mehr, wohin mit den Flüchtlingen“, stöhnt einer der übermüdeten Rot-Kreuz-Helfer, die im Hafen des Küstenortes Los Cristianos im Süden Teneriffas Dienst schieben. „Seit fünf Tagen kommen täglich Hunderte hier an.“ Allein am Donnerstag waren es 650 Afrikaner, die auf dem spanischen Kanareneiland Teneriffa und den Nachbarinseln als menschliches Strandgut landeten. Innerhalb einer Woche wurden damit 2000 Flüchtlinge gezählt.

„In einer halben Stunde kommt das nächste Flüchtlingsboot“, kündigt ein Sprecher der Polizei den wartenden Helfern im Hafen an. Die Küstenwacht, die das Meer mit Hubschraubern und Booten absucht, hat ein weiteres Flüchtlingsschiff gesichtet. Die Helfer legen Decken bereit. Ambulanzen fahren auf. Viele Flüchtlinge, die meist eine Woche mit wenig Wasser und Lebensmitteln in ihrem Kahn hockten, sind erschöpft.

In einem Container liegen die „Begrüßungspakete“: ein Erste-Hilfe-Set, das jeder Ankömmling in die Hand gedrückt bekommt: ein Trainingsanzug, zwei T-Shirts, zwei Unterhosen, zwei paar Strümpfe, Turnschuhe und Badelatschen. Hinter einem Absperrzaun drängeln sich Touristen. Sie sind mit Kameras bewaffnet, um einen besonderen Schnappschuss von der Armut mit nach Hause zu bringen. Los Cristianos, das zum Ort Arona gehört, und die umliegenden Sandstrände sind eine der beliebtesten Urlaubsregionen auf Teneriffa. Inzwischen ist das Flüchtlingsboot im Schlepptau der Küstenwacht angekommen. 68 müde Gesichter gucken über den Rand ihres vielleicht 15 Meter langen Holzbootes. Fast alle sind Männer, sie haben Wollmützen auf. Das Meer ist ruhig, die Sonne brennt, die lebensgefährliche Überfahrt von der westafrikanischen Küste, vermutlich vom 1200 Kilometer entfernten Senegal aus, ist geglückt.

Routinemäßig eröffnen die Behörden ein Verfahren wegen illegaler Einwanderung, das in der Regel mit einem formalen Abschiebebeschluss endet. Doch die Männer, die aus Senegal, Mauretanien, Mali, Guinea, Gambia oder Nigeria stammen, aber ihre Herkunft meist verschleiern, wissen, dass sie wenig zu befürchten haben. Nach spanischem Recht müssen alle Illegalen, die nicht innerhalb eines Monats zurückgeführt werden können, freigelassen werden. Von den fast 8000 Flüchtlingen, die seit Jahresanfang auf den Kanaren landeten, wurden bisher aber erst 200 abgeschoben. Jetzt will die spanische Regierung die EU um Hilfe bitten. Brüssel solle mit der Bereitstellung von Schiffen und Flugzeugen bei der Überwachung der Küsten unterstützen, sagte Vizeregierungschefin María Teresa Fernández de la Vega.

Ralph Schulze

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