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Angela Merkel auf dem Parteitag in Karlsruhe.

© Reuters

Angela Merkel beim CDU-Parteitag: Sie konnte nicht anders

Angela Merkel hat beim CDU-Parteitag an den Stolz der eigenen Nation appelliert und an Deutschlands Führungsverantwortung in der EU erinnert. Sie ließ alle verzagt wirken, die angesichts der Flüchtlingskrise nur von Überforderung reden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Die eleganteste Art, seinen Gegner verbal zu schlagen, ist es, ihn zu beschämen. Indem Angela Merkel, die von politischen Widersachern geschmacklos als „FDJ-Trulla“ und „Zonen-Angie“ verhöhnt wurde, beim CDU-Parteitag in Karlsruhe die Standhaftigkeit eines Konrad Adenauer und den Friedenswillen eines Helmut Kohl beschwor, stellte sie ihre innerparteilichen Kritiker als kleinmütig und den Herausforderungen der Zeit nicht gewachsen dar.

Wer an den Stolz der eigenen Nation appelliert und gleichzeitig an deren Führungsverantwortung in der Europäischen Union erinnert, lässt alle verzagt wirken, die angesichts der Flüchtlingskrise nur von der Überforderung Deutschlands reden. Wer dann noch numerisch präzise Höchstzahlen bei der Zuwanderung einfordert, wenn ihm die Kanzlerin die zeitweise Öffnung der Grenzen als humanitären Imperativ entgegenhält, hat in einer Partei eine schwache Position, die immer wieder das christliche Menschenbild beschwört. Angela Merkel machte in Karlsruhe also alles richtig, als sie die 1000 Delegierten eindringlich auf ihr „Wir schaffen das!“ mit der kollektiven Erfahrung festlegte, dass es dieses Land auszeichne, Herausforderungen zu bewältigen.

CDU-Parteitag: Angela Merkel offenbart eine neue Seite

Nationales Pathos war bislang keine Tonlage, mit der man die manchmal bis zur Langweiligkeit nüchterne CDU-Vorsitzende in Verbindung brachte. Aber die gewachsenen Zweifel, ob sie selbst noch den Überblick über Gesamtlage und Grenzen des Zumutbaren behalten habe, nötigen Angela Merkel, eine Seite zu offenbaren, die man bei jemandem nicht vermutet hätte, der permanent fordert, die Dinge auch vom Ende her zu denken.

Genau das hat sie nämlich vermutlich nicht getan, als sie in der Nacht vom 4. auf den 5. September dem zitierten humanitären Imperativ, dem sittlichen Gebot folgte, Menschen in größter Not zu helfen. Man darf vermuten, dass sie sich gerade jetzt, um dennoch die Rationalität ihres Handelns zu betonen, letztlich auf Immanuel Kant bezog: Handele so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.

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