zum Hauptinhalt
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt am Mittwoch (20.01.2016) in Wildbad Kreuth zur Klausurtagung der Landtagsfraktion der CSU.

© imago/Sebastian Widmann

Flüchtlinge: Angela Merkel hat eine Andeutung gemacht - kommt die Notbremse?

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der Flüchtlingspolitik zum ersten Mal eine zeitliche Wegmarke gesetzt und kaum einer hat es gehört. Was hat das zu bedeuten?

Von Robert Birnbaum

Angela Merkel hat seit Langem ein Talent dafür, Botschaften so zu verstecken, dass sie erst mal praktisch keiner hört. Als die Kanzlerin sich jetzt zum allerersten Mal in der Flüchtlingskrise selbst eine zeitliche Wegmarke setzte, versackten ihre Worte folgerichtig beinahe im hüfthohen Schnee vor dem bayerischen Wildbad Kreuth: Man habe jetzt drei wichtige Gipfel vor sich, erläuterte die CDU-Chefin, „danach können wir eine Zwischenbilanz ziehen, dann eine weitere Zwischenbilanz, und dann sehen, wo wir stehen.“

Anschließend ließ sie sich von der CSU-Landtagsfraktion abwatschen und das Drängen der CSU auf schnelle Grenzschließung erneut abtropfen: Sie könne nicht international verhandeln und zugleich die anderen vor national vollendete Tatsachen stellen. Über einen Plan B spreche sie nicht. Dass es keinen gebe, hat sie nicht behauptet.

Doch immerhin, eine „Zwischenbilanz“, und das noch vor den Landtagswahlen am 13. März. Einerseits ist sie nichts weiter als selbstverständlich. Der deutsch-türkische Regierungsdialog am Freitag, die internationale Geberkonferenz für Flüchtlingshilfe in den Nachbarländern der Krisenstaaten Anfang Februar und der EU-Gipfel am 18. und 19. Februar werden Belege dafür liefern, ob Merkels Rezepte funktionieren könnten oder eher nicht. Die Bilanz wird sowieso gezogen werden, und auch die Regierungschefin selbst wird sie ehrlicherweise ziehen müssen.

Aber eine interne Bilanz im engsten Kreis ist das eine, angekündigte Zwischenbilanzen etwas anderes. Schließlich hat sich Merkel bisher hartnäckig geweigert, irgendwelche Fristen setzen zu lassen, egal ob von anderen oder sich selbst. So sind diverse CSU-Ultimaten verstrichen, und auch die jüngsten christsozialen Aufforderungen, bis März (Ex-Parteichef Edmund Stoiber) oder besser noch sofort entweder zu liefern oder eine Wende zu vollziehen, hat die Kanzlerin nur mit eisigem Schweigen beantwortet. Jedes Benchmark birgt schließlich die Gefahr, dass es da nichts weiter zu verkünden gibt als enttäuschte Hoffnungen.

Warum die Informationspolitik der Bundesregierung zurückhaltend ist

Diese Sorge erklärt übrigens zu einem gewissen Teil die, gelinde gesagt, zurückhaltende Informationspolitik der Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage. Ein gutes Beispiel dafür sind die Grenzkontrollen zu Österreich. Seit Anfang Dezember ist die Bundespolizei dort so weit, dass sie so gut wie jeden Ankömmling kontrolliert. Seither schickt sie auch Menschen zurück, die bloß durchreisen wollen oder ohne Papiere und ohne Asylbegehren vorstellig werden. Der zuständige Bundesinnenminister hat das aber einen guten Monat lang für sich behalten; Thomas de Maizière (CDU) gab die Neuigkeit erst vergangene Woche bekannt, und das auch zunächst nur intern in der Unionsfraktion.

Der Minister lieferte den Abgeordneten aber zugleich die Begründung dafür: Er habe erst sicher sein wollen, dass das neue Grenzregime auch funktioniert. Damit nahm er in Kauf, dass wochenlang alle Kritiker weiter die öffentliche Debatte mit dem Schreckensbild von der „massenhaften unkontrollierten Einreise“ dominieren konnten, ohne dass jemand widersprach. Aber gerade mit Erfolgsmeldungen, glauben sie in der Koalition, müsse man sehr vorsichtig umgehen: „Beim ersten Rückschlag ist sonst gleich alles diskreditiert.“

Man sollte sich Merkels Zwischenbilanzen also wohl nicht als große Medienauftritte vorstellen oder in Form von regierungsamtlichen Listen, auf denen manche Punkte abgehakt sind und andere nicht. Aber auch engen politischen Gefolgsleuten ist die Ankündigung aufgefallen. Und mancher deutet sie so, dass es nicht bei der Bilanz bleiben wird: Wenn die Dinge mit der Türkei, den Geldgebern und den Europäern nicht so laufen, wie es Merkel allen Widerständen und Rückschlägen zum Trotz immer noch hofft, dann müsse man überlegen, wie es dann weitergehen kann.

Auch das ist eigentlich nichts weiter als selbstverständlich; die eigene Strategie und Taktik der Lage immer neu anzupassen, gehört zum kleinen Einmaleins des politischen Gefechts. Aber inzwischen ist unüberhörbar auch in den Köpfen solcher enger Gefolgsleute der Gedanke an eine Notbremse präsent. Bundeskanzlerin Merkel will die um fast jeden Preis vermeiden. Aber dafür, das geben auch ihre Truppenteile zu, wird in den Zwischenbilanzen auf der Habenseite mehr stehen müssen als Durchhalteappelle auf Basis des Prinzips Hoffnung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false