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Merkel

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Angela Merkel: "Ich setz’ mir keine unrealistischen Ziele"

Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht ihre Sommerbilanz - und hält Vollbeschäftigung für möglich. Der SPD gesteht sie einen Anteil an den Regierungserfolgen zu. Aber die versammelte Hauptstadtpresse interessiert vielmehr: Was hält die Kanzlerin von dem Besucher aus Illinois?

Von Hans Monath

Wer immer Anfang des kommenden Jahres ins Weiße Haus einzieht, hat heute schon die Lizenz, bei internationalen Treffen Hand an die deutsche Kanzlerin zu legen. Würde Angela Merkel auch Barack Obama erlauben, ihr die Schultern zu massieren, wie das vor zwei Jahren überraschenderweise George W. Bush tat, wurde die Bundeskanzlerin einen Tag vor ihrem Treffen mit dem Demokraten gefragt. „Ich würde mich jedenfalls nicht sperren, egal wer gewählt wird“, versicherte die Regierungschefin. Und zeigte damit am Mittwoch während ihrer mittlerweile traditionellen Sommer-Bilanzpressekonferenz, dass sie nicht alle Fragen zur Politik bierernst nimmt, auch wenn sie das eigene Profil und den eigenen Vorteil bei der Arbeit in der großen Koalition stets scharf im Blick hat.

Das eigentliche Thema der Kanzlerin war natürlich die Verkündung der Regierungserfolge, für die in ihren Augen vor allem neu entstandenen Arbeitsplätze, die Sanierung des Haushalts, die Senkung der Lohnnebenkosten und das Klima- und Energiepaket stehen. Doch der Auftritt Obamas am Donnerstag und sein Gespräch mit der Kanzlerin am Vormittag interessierte die versammelte Hauptstadtpresse so stark, dass Merkel immer wieder zum transatlantischen Verhältnis unter einem neuen Präsidenten und auch zur Person des Besuchers aus Illinois Stellung nehmen musste.

Auffällig war dabei, dass Merkel in ihren vielen Antworten ausgerechnet jene Eigenschaften Obamas nicht thematisierte, die seine Anziehungskraft auch für Deutsche ausmachen und die vielen deutschen Politikern abgehen: die Fähigkeit, Menschen für Politik zu begeistern. Stattdessen lobte die Regierungschefin allein dessen Durchsetzungsfähigkeit: „Wer sich durch die Primaries in Amerika geschlagen hat, der ist schon mit guten Kräften ausgestattet.“ Und am Vorwahlkampf Obamas fasziniert die deutsche Beobachterin offenbar nicht das Charisma des Kandidaten, sondern der Einsatz des Internets zur Mobilisierung und zum Spendeneintreiben. „Das ist einfach schwungvoll, das hat auch was Schönes“, meinte sie.

Auf dem Feld der Innenpolitik schlüpfte Merkel zwar phasenweise in die Rolle der gleichsam überparteilichen Vermittlerin, die eine Koalition zweier unterschiedlicher Partner zusammenhalten muss. Sie jedenfalls wolle auch in den kommenden Monaten Sacharbeit leisten und noch nicht den Wahlkampf ausrufen, versicherte sie und nannte als Projekte die Erbschaftsteuerreform, die Gesundheitsreform, die Erhöhung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld sowie den von ihr ausgerufenen Bildungsgipfel. Wahlkampf werde es noch „genug“ geben, warnte sie. „Ich erwarte, dass wir uns zusammensetzen und zusammenraufen, und zwar sowohl zwischen Union und SPD als auch zwischen Bund und Ländern“, meinte Merkel und fügte hinzu: „Ich erwarte eine Politik, von der die Menschen sagen: Sie bemühen sich.“

Doch immer wieder betonte die CDU-Politikerin auch ihr Profil als Parteichefin und zeigte sich zuversichtlich im Hinblick auf die Chancen der Union im Wahljahr 2009. Ihr großer Wunsch sei, dass die CSU bei den Landtagswahlen im September „ihr 50 plus x erreicht“, verriet sie. Für die Bundestagswahl im kommenden Jahr sei die Ausgangslage für die Union gut, auch wenn die aktuellen Umfragen besser sein könnten. Und es gebe dann auch Chancen für einen Wechsel des Koalitionspartners.

Den Vorwurf von SPD-Chef Kurt Beck, wonach sie dem kleineren Partner nicht die Butter auf dem Brot gönne, wies Merkel ohne Schärfe zurück: „Ich glaube, dass da jeder seinen Anteil am Erfolg hat.“ Trotzdem wollte die CDU-Chefin die Regierungsbilanz offenbar nicht gemeinsam mit dem Vizekanzler und wahrscheinlichen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier präsentieren. Zur Begründung sagte sie, es sei eine gute Tradition, dass der Kanzler im Sommer allein vor die Presse trete.

Wie zuvor Steinmeier erklärte nun auch die Regierungschefin Vollbeschäftigung in einigen Jahren für möglich. „Ich glaube, dass man dieses Ziel ins Auge fassen sollte“, meinte sie und bekräftigte das Vorhaben ausdrücklich: „Ich setz’ mir doch keine unrealistischen Ziele.“ Auf einen genauen Zeitraum bis zum Erfolg wollte sie sich jedoch nicht festlegen. Wegen der schlechteren Wirtschaftsprognosen für 2009 rechnet Merkel nämlich auch damit, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit sich dann deutlich verlangsamt.

Übrigens: Auch die Kanzlerin wird womöglich den Obama-Auftritt in Berlin verfolgen. Sie sei am Donnerstag um 19 Uhr, also zur Zeit der Rede, hoffentlich schon in Bayreuth, wo sie zum Urlaubsbeginn die Festspiele besuche. „Vielleicht schalte ich den Fernseher ein“, meinte Merkel und ließ eine Kunstpause verstreichen, bevor sie mit dem vielsagenden Satz „… um dann ,Heute‘-Nachrichten zu sehen“ den Saal zum Lachen brachte.

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