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Berlin Neubauten in Mitte.

© Kai-Uwe Heinrich

Angespannter Wohnungsmarkt in Berlin und anderen Städten: Mieten wird immer teurer - die Politik will reagieren

Die Mieten in Berlin und anderen Städten steigen massiv. Maßnahmen wie die Mietpreisbremse greifen nicht. Doch welche Lösungen gibt es? Ein Überblick.

Die Mietenpolitik wird zum Wahlkampfthema – in Berlin und auf Bundesebene. Das zeigt der Streit um die Wirksamkeit der Mietpreisbremse, die eine Studie im Auftrag des Berliner Mietervereins ausgelöst hat. Untersucht wurden die von Hauseigentümern geforderten Mieten für freie Wohnungen in Berlin. Ergebnis: Die Angebote überschreiten die eigentlich zulässigen Mieten (im Schnitt rund 6,60 Euro je Quadratmeter) um 31 Prozent. Wer eine Wohnung in der Stadt sucht – und das sind wegen des Wachstums der Metropolen immer mehr –, bekommt so die ganze Härte des Wohnungsmarktes zu spüren. Nach der Mietpreisbremse dürfen Neumieten maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen – wenn die Vormiete unterhalb dieser Grenze lag. War die Miete vorher schon teurer, sind Vermieter nicht daran gebunden. Neubauten und stark modernisierte Wohnungen sind ausgenommen.

Was will die Politik dagegen tun?

Das Kernproblem ist: Die eigentlich nötige Transparenz über die Vormieten gibt es nicht, und Neumieter nutzen ihr Auskunftsrecht offenbar nur selten. Der Berliner Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) und die SPD-Bundestagsfraktion wollen daher über den geltenden Auskunftsanspruch von Mietern hinaus erreichen, dass Vermieter künftig bereits vor Vertragsabschluss die Vormiete nennen müssen. Auch der Chef des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, fordert daher, dass die rechtlich zulässige Miete beim Vertragsabschluss kenntlich gemacht werden müsse. Wild geht noch weiter: Die Ansprüche des Mieters auf Korrektur eines zu hohen Mietzinses müssten rückwirkend gelten. Außerdem müssten die Ausnahmeregelungen fallen, etwa dass bereits vor Einführung der Mietpreisbremse vereinbarte überdurchschnittliche Mieten bei einem späteren Mieterwechsel weiterhin gelten. Unklar ist, ob Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sich dahinter- stellt. Er hat unlängst einen ersten Entwurf für die zweite Stufe der von der Koalition vereinbarten Mietrechtsreform vorgelegt – in der diese Forderungen fehlen. Wild sagte jedoch, Maas habe am Freitag auf einer Veranstaltung des Deutschen Mieterbundes durchblicken lassen, die Mietpreisbremse verschärfen zu wollen. 

Was hilft gegen zu teure Wohnungen – abgesehen von Gesetzesänderungen?

In Berlin ruhen die größten Hoffnungen auf den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und den Genossenschaften. Die landeseigenen Firmen haben mehr als 300 000 Wohnungen im Bestand, und das Land Berlin hat diese dazu verpflichtet, gut die Hälfte der neu vermieteten Wohnungen an Haushalte mit geringen Einkünften zu vermieten. Außerdem haben die Unternehmen ein Wohnungsbauprogramm aufgelegt, und auch dabei müssen sie ein Drittel der Objekte mit- hilfe von öffentlichen Förderungen zu Mieten in Höhe von rund 6,50 Euro je Quadratmeter und Monat kalt anbieten. Das ist ein Drittel weniger als die in Berlin geforderte Durchschnittsmiete für freie Wohnungen auf einschlägigen Online-Portalen (rund neun Euro). Der Berliner Mieterverein schlägt außerdem eine neue Förderung für Gebäudeeigentümer und Bauherren vor, die sich zu einer Art Sozialmiete verpflichten. Steuerbefreiungen sowie Bürgschaften für die Aufnahme von Krediten wären mögliche staatliche Hilfen, um diese Art von Unternehmungen voranzubringen.

Ob Mieterverein, Immobilienverbände oder Politiker jeder Couleur, einig sind sie sich alle darin: Nur durch den Bau neuer Häuser ist die Wohnungsnot zu bekämpfen. In Berlin kommt der Neubau wegen der großen Nachfrage in Fahrt, mehr als 11000 Wohnungen haben Investoren im vergangenen Jahr gebaut. An Wohnungen fehlt es nicht, sagen sogar Stadtsoziologen, wohl aber an bezahlbaren. Mehr als 40 Prozent der Neubauten sind Eigentumswohnungen, und diese werden nur selten zu Preisen von weniger als 4000 Euro je Quadratmeter verkauft. Oft genug erwerben Anleger diese Objekte und vermieten die Wohnungen wiederum zu hohen Mieten. Weil die Mieten so stark gestiegen sind, ziehen nach einer Studie der Investitionsbank Berlin immer weniger Menschen um. Das verschärft die Wohnungsnot, weil Einzelpersonen in großen Wohnungen mit günstigen Mieten bleiben, da ein Umzug in eine kleinere ihr Mietbudget nicht mal entlasten würde.

Was treibt neben der höheren Nachfrage die Mietpreise?

Günstiges Wohnen ist nur möglich, wenn billiger gebaut wird. Doch genau das Gegenteil geschieht zurzeit. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hat zwar eine Baukostensenkungskommission ins Leben gerufen, doch am Markt ändert sich wenig. Das liegt nicht zuletzt am Staat: Die im Januar eingeführte neue Stufe der Energieeinsparverordnung (Enev) hat das Bauen in Berlin nach Angaben des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen um sieben Prozent oder durchschnittlich 10 000 Euro je Wohnung teurer gemacht. Denn die Häuser müssen noch dicker gedämmt und aufwendiger geplant werden. Berliner zahlen laut BBU die bundesweit höchsten Grundsteuern, was sich auf die Nebenkosten der Mieter mit 50 Cent pro Quadratmeter bei Neubauten niederschlage. Mit einer Grunderwerbsteuer von sechs Prozent liegt die Stadt außerdem bundesweit mit an der Spitze – auch diese staatliche Abgabe erhöht die Kosten von Neubauten.

Welche Maßnahmen plant die große Koalition im Bund? Was ist umstritten?

Der Gesetzentwurf von Maas, der aktuell innerhalb der Bundesministerien abgestimmt wird, ist in der Koalition umstritten. Der Union gefällt bei Weitem nicht alles. „Minister Maas schießt mit seinem Entwurf deutlich über das Ziel hinaus“, sagte der CDU-Rechtspolitiker Jan-Marco Luczak dem Tagesspiegel.

Das gilt aus Sicht der Union vor allem bei der Neuregelung der Mietspiegel. Maas plant, den Ermittlungszeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete von vier auf acht Jahre zu verdoppeln. Damit kämen auch länger nicht erhöhte Mieten in den Vergleich, was eine Preisdämpfung zur Folge hätte. Luczak lehnt das ab. Eine Verdoppelung des Betrachtungszeitraums „widerspricht dem Koalitionsvertrag und ist in der Sache falsch“. Denn sie würde dazu führen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete sinke. „Für Wohnungsunternehmen hätte das zur Folge, dass sie Immobilien abwerten müssten. Das wiederum würde Spielraum für Investitionen in den Neubau und die Modernisierung von Wohnungen nehmen, die wir aber dringend brauchen.“ Maas argumentiert, dass in den Gebieten, in denen die Preisdämpfung wirken würde, die Immobilienwerte in den vergangenen Jahren allein durch die Marktentwicklung stark gestiegen seien – ohne dass die Vermieter etwas dafür hätten tun müssen, „insbesondere nicht modernisieren“. Entsprechend seien auch die Renditen gestiegen. Maas erwartet hier aber massiven Widerstand der Immobilienwirtschaft.

Gibt es auch Einigkeit?

Die Koalition will verhindern, dass Mieter durch tatsächliche oder auch nur angedrohte Mieterhöhungen wegen Modernisierung gezwungen sind, sich eine neue Wohnung zu suchen. Luczak sagt, gegen Vermieter, die gezielt missbräuchlich vorgingen, wolle auch die Union die Mieter nicht allein lassen. Die konkrete Ausgestaltung aber ist unklar. Maas schlägt zur Dämpfung der Mieterhöhungen durch Modernisierung vor, den Umlagesatz von elf auf acht Prozent zu senken. Begründet wird das mit dem derzeit niedrigen Zinsniveau. Zudem will Maas erreichen, dass die Mieten durch Modernisierungen in einem Zeitraum von acht Jahren nur um drei Euro je Quadratmeter steigen dürfen. Dadurch sollen effektive Modernisierungen möglich sein, reine Mietpreistreiberei dagegen verhindert werden. Aber auch das kann bedeuten, dass Mieten um 20, 30 oder auch 40 Prozent steigen. Daher soll eine neue Härtefallregelung ins Gesetz kommen: Wenn mehr als 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Warmmiete ausgegeben werden müssen, greifen Mieterhöhungen nicht mehr.

Einigkeit besteht offenbar auch darin, den altersgerechten Umbau von Wohnungen als Modernisierung zu fördern. Das sei in einer alternden Gesellschaft wichtig, sagt Maas. Luczak betont, es handle sich um „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir nicht allein den Vermietern aufbürden dürfen“. Allerdings wird damit ein neuer Mietpreistreiber eingeführt. Der Berliner Mieterverein meint, viele Mieter hätten vom Umbau zur Barrierefreiheit gar keinen Nutzen. Zwar müssen sie die Modernisierung dann nicht unbedingt dulden. Doch der Gesetzentwurf stelle nicht hinreichend klar, wann die Duldung verweigert werden kann, heißt es in der Einschätzung.

Welche zusätzlichen Pläne gibt es?

Die SPD-Bundestagsfraktion will eine weitere Verbesserung für Mieter durchsetzen über eine Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes. Diesem zufolge ist es verboten, dass eine Miete um mehr als 20 Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegt, wenn der Vermieter dabei ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum ausnutzt. Da der Bundesgerichtshof das Gesetz so ausgelegt hat, dass Mieter das Ausnutzen der Situation nachweisen müssen (was in der Praxis kaum möglich ist), läuft die Regelung ins Leere. Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner regt eine Nachbesserung an. Wie die konkret aussehen soll, ist unklar. Doch hat der SPD-geführte Hamburger Senat schon vor drei Jahren dazu einen Vorstoß im Bundesrat gemacht: Der Tatbestand des „Ausnutzens“ von Wohnraummangel sollte gestrichen, stattdessen sollten Mieten als unangemessen eingestuft werden, die „bei Vorliegen eines geringen Angebots“ in einer Gemeinde um mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Eine solche Regelung könnte eine erhebliche Wirkung entfalten, wenn sich Mieter auf die Ausweisung von angespannten Wohnungsmarktlagen im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse berufen.

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