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Angola: Genug vom Krieg

Erstmals seit 16 Jahren wählen die Angolaner ein neues Parlament – EU-Wahlbeobachter kritisieren den Ablauf.

Cassinga/Menongue - Fragen beantwortet in Cassinga nur der regionale Vorsteher persönlich: Luciano Intchas. Der 58-Jährige aus dem kleinen Ort im Süden Angolas kommt mit dem Fahrrad, am Gürtel baumelt eine Machete. Sein T-Shirt spannt sich über den kugelrunden Bauch. „Registriert euch für die Wahl“, steht darauf. Intchas hat es jüngst oft und erfolgreich getragen – die Registrierung für die Wahl sei in der Region gut verlaufen. Nachdem Angolas Präsident José Eduardo dos Santos die Wahlen immer wieder verschoben hatte, bestimmten die Bewohner des südwestafrikanischen Staates am Freitag erstmals seit 16 Jahren ein neues Parlament.

„Die Wahlen werden frei und fair verlaufen“, prophezeit Intchas, selbst Anhänger der Regierungspartei MPLA (Volksbewegung zur Befreiung Angolas). Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sieht das anders: Kandidaten der Oppositionspartei Unita (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit Angolas) seien im Wahlkampf von Behörden und Polizei behindert worden. Und EU-Beobachter kritisierten kurz nach Öffnung der Wahllokale die schlechte Organisation. „Was wir in den Wahllokalen gesehen haben, die wir in Luanda besucht haben, ist ein Desaster“, sagte am Freitag die Chefin der EU-Wahlbeobachtermission, Luisa Morgantini. Es fehlten Wählerlisten, die Wahlhelfer seien ratlos. In den Wahllokalen in Luanda herrsche „totales Chaos“. In anderen Landesteilen scheine die Lage etwas weniger problematisch.

27 Jahre lang kämpften MPLA und Unita um die Macht, nachdem die Kolonialmacht Portugal 1975 das Land verlassen hatte. Unterstützt durch die Sowjetunion und Kuba setzte sich die ehemals leninistisch-marxistische MPLA schnell durch. Die Unita unter Rebellenführer Jonas Savimbi kämpfte als Guerillabewegung weiter. Hilfe kam von Südafrika und den USA. Ein Ende fanden die Konflikte 2002, als die Regierungstruppen Savimbi erschossen.

„Wir haben genug vom Krieg“, sagt Intchas. „Wir haben lange genug gelitten.“ Dass die Konflikte – wie nach den vergangenen Wahlen im Jahre 1992 – wieder aufflammen könnten, davor habe er keine Angst. So sicher wie Intchas ist sich nicht jeder: „Zwar gibt es gerade keine Probleme, aber Angola ist ein Land, in dem alles passieren kann“, sagt Paul Domingos (42) aus der Stadt Menongue.

Der Krieg ließ ein völlig zerstörtes Land zurück. Straßen, Brücken, Bahnlinien – alles muss mühsam wiederaufgebaut werden. In Cassinga hat sich seit Ende des Krieges noch nicht viel getan. In der Nähe stehen verrostete Panzer, das steinerne Ortsschild ist zerschossen, die Straße nach Cassinga ist eine Piste voller Schlaglöcher. „Immerhin ist die Straße jetzt minenfrei“, sagt Intchas. Doch rote Schilder mit Totenköpfen darauf warnen davor, den Weg zu verlassen: „Perigo Minas!“ – „Achtung, Minen!“ Angola gehört weltweit zu den Ländern mit den meisten Minen.

„Wir müssen stets vorsichtig sein“, erklärt Intchas. Der regionale Vorsteher ist der Einzige, der hier dick ist. Nach UN-Angaben lebten 2006 rund zwei Drittel der Angolaner unterhalb der Armutsgrenze, die Lebenserwartung lag bei 42 Jahren. Jedes vierte Kind stirbt, bevor es fünf Jahre alt wird. Dabei ist Angola eines der reichsten Länder Afrikas. Das Land hat Nigeria in diesem Jahr als größten Erdölförderer Afrikas abgelöst und besitzt große Diamantenvorkommen. Doch davon profitiert vor allem eine kleine Gruppe im Land – und China. Die Volksrepublik bekommt von Angola Öl, im Gegenzug baut sie die Infrastruktur wieder auf. dpa/AFP

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