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Politik: Angriff vor der Aufklärung

Die Union verschärft nach Fischers Rede in Köln die Attacken – auch ohne eine Bilanz des Visa-Ausschusses

Von Matthias Meisner

Berlin - Dieser Ukrainer bekommt ein Visum von Rot-Grün: Der Präsident der Ukraine, Viktor Juschtschenko, will in der zweiten März-Woche Deutschland besuchen. Und auch wenn das Bundespresseamt am Wochenende den von der „Financial Times Deutschland“ gemeldeten Termin eines Gespräches mit Bundeskanzler Gerhard Schröder am 9. März nicht bestätigen wollte, so gibt es keinen Zweifel daran, dass Juschtschenko in Berlin gern gesehen wäre. Er könnte der Bundesregierung Argumente dafür liefern, dass die orange Revolution nur durch den vorherigen engen Austausch mit Westeuropa und Deutschland ermöglicht worden ist.

Dieser Aspekt jedenfalls ist seit Tagen Bestandteil der Verteidigungslinie der Grünen-Führung in der Visa-Debatte. Das Argument soll die Unionspolitiker dämpfen, die in der Diskussion den Eindruck erwecken, Deutschland habe fahrlässig die Schleusen für Kriminelle, Schwarzarbeiter und Zwangsprostituierte geöffnet. Was die so gar nicht gesagt haben will: Der CDU-Außenexperte Friedbert Pflüger jedenfalls bestreitet, dass die Union die Ukrainer generell als kriminell darstelle. Aber es ist eben doch fast nichts zu hören von jenen in der Union, denen Deutschlands Weltoffenheit am Herzen liegt.

Nach Joschka Fischers Eingeständnis persönlicher Fehler hat die Union die Tonlage sogar verschärft – allen voran fordert nun CDU-Chefin Angela Merkel den Rücktritt des Außenministers. Das ist ein Strategiewechsel, denn bisher war die Unionsspitze dafür, erst die Arbeit im Untersuchungsausschuss des Bundestages abzuwarten und dann über Konsequenzen zu reden. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) lästerte in der „Bild am Sonntag“ über die „mitleidheischende Rede“ Fischers, die an den Fakten nichts geändert habe: „Das Schlimme an der leichtfertigen Visa-Vergabe ist: Es war kein Versehen, es war Absicht!“ Fischer sei eine Belastung „für Deutschlands Ansehen in der Welt“. Und der als Wadenbeißer bekannte CSU-Generalsekretär Markus Söder tönte: „Menschenhandel fördert nicht die Menschenrechte.“ Joachim Herrmann, CSU-Fraktionschef in Bayern, sagte: „Die grüne Außenpolitik führt völlig in die Irre.“

Schon vor Fischers Auftritt in Köln hatte der Chef der NRW-CDU, Jürgen Rüttgers, im Zusammenhang mit der Visa-Affäre von „massenhafter Menschenrechtsverletzung“ gesprochen – Rot-Grün wirft er Beihilfe vor.

Die Union ist offenkundig froh, dass Fischers Ansehen sinkt, nachdem er jahrelang Deutschlands beliebtester Politiker war. Jedes Argument, das diesen Trend verstärkt, ist recht. So freute sich Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach, als er im „Spiegel“ las, Fischer drohe der Entzug der Zuständigkeit für die Visa-Politik. „Das Innenministerium ist zuständig für Ausländerpolitik, Asylpolitik und auch für die Integration. Insofern macht es Sinn, die Fachaufsicht für die Visa-Erteilung zurückzuverlegen in das Innenministerium“, begrüßte der CDU-Mann flugs solche Pläne. In der „Netzeitung“ gab er zu, dass es ihm nicht nur um Fischer geht: Neben ihm sei auch Otto Schily eine „Säule des Kabinetts“. Erschüttert, meint Bosbach, seien beide.

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