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Politik: Angst vor Robin Hood

SPD streitet über die Bürgerversicherung / Gesundheitsministerin: Nicht in die Details gehen

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Abstrakt sind in der SPD und bei den Grünen viele für eine Bürgerversicherung als Ersatz für das heutige Krankenkassensystem. Der konkrete Vorschlag aber, den die SPD-Arbeitsgruppe unter der Leitung der Parteilinken Andrea Nahles jetzt vorgelegt hat, löst selbst in der Koalition Ernüchterung, ja Ablehnung aus. „Das ist eine Scheinlösung“, sagt der SPD-Finanzpolitiker Jörg-Otto Spiller. „Kontraproduktiv“ und „unsystematisch“ nennt seine Grünen-Fachkollegin Christine Scheel im Gespräch mit dem Tagesspiegel die Lösung der Nahles- Kommission. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) rät dazu, bis zur Bundestagswahl nicht weiter in die Details zu gehen, ein Regierungssprecher spricht vom Anfang der Diskussion. Die „Netzwerker“, Zusammenschluss von SPD- Jungpolitikern, plädieren gar dafür, sich mit der Opposition zusammenzusetzen und gemeinsam ein Mischsystem aus Bürgerversicherung und der CDU-Kopfpauschale zu finden. „Im Ansatz sind wir einig“, sagt Netzwerker Rolf Stöckel, der am Sonntag im SPD-Parteivorstand mit über den Nahles-Entwurf beraten wird.

Kern der Kritik ist der Vorschlag, die Bürgerversicherung nicht nur durch die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten, sondern auch über einen Aufschlag auf die Kapitalerträge zu finanzieren – also auf Sparzinsen und Dividenden. Scheel sagt dazu, das laufe auf eine Erhöhung der Einkommensteuer hinaus und sei nur möglich, wenn eine Abgeltungssteuer eingeführt werde. Das allerdings wollte die SPD schon in diesem Frühjahr nicht. Denn diese feste Steuer auf Kapitalerträge – damals waren 25 Prozent vorgesehen – entlastet ausgerechnet Besserverdienende, die heute mit einem Durchschnittssteuersatz von etwa 30 Prozent zur Kasse gebeten werden. Die Steuer auf bis zu 35 Prozent hochzusetzen, wie es die Kommission empfiehlt, wäre aber nach Scheels Ansicht auch keine Lösung – dann würde Kapital verstärkt ins Ausland abwandern. Ohne zusätzliche Steuermittel aber ist die Bürgerversicherung nicht zu finanzieren, zumal die Nahles-Kommission schon die Anrechnung von Mieteinnahmen auf den Beitrag als unpraktikabel verworfen hat.

Netzwerker Stöckel zieht daraus einen radikalen Schluss: Die Koalition müsse aufhören, einem „Robin-Hood-Modell“ hinterherzulaufen. Es nütze wenig, „die Illusion aufrechtzuerhalten, alles werde gut, wenn man es den Reichen nimmt und den Armen gibt“. Für seine Gruppe gibt es nur noch eine Lösung: Das Geld muss aus dem allgemeinen Steueraufkommen genommen werden. Das sei „einfach und gerecht“. Es hat nur einen Haken: Genau auf diesem Weg will auch die CDU ihr Kopfpauschalenmodell sozialverträglich gegenfinanzieren. Die Opposition frohlockt denn auch schon mal ein bisschen. „Was Frau Nahles vorgelegt hat, zeigt, dass die Befürworter der Bürgerversicherung in der Sackgasse stecken“, sagte CDU-Sozialexperte Andreas Storm dem Tagesspiegel.

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